Rosenheim – Am 14. Juli 2022 starb mein Freund Christian Doermer; am Montag fand in Grainbach die Beisetzung statt. Es ist aber nicht nur meine persönliche Trauer, mein Schmerz um einen guten Freund, einen Schulkameraden, die mich veranlassen, hier einige Worte zu schreiben. Rosenheim und Umgebung verlieren eine bedeutende Persönlichkeit. Auch ich, sein langjähriger Freund, erkenne diese Bedeutung erst jetzt. Ein Blick ins Internet, verschiedene Quellen, zahlreiche Nachrufe in deutschen Fernsehsendern haben mir die Augen geöffnet. Christian hat wenig über seine Vergangenheit gesprochen, mehr so nebenbei. Wir haben uns erst 1999 kennengelernt, als Laura, seine Frau, in der damals erst gegründeten Goethe-Gesellschaft in Rosenheim aus ihrem Roman „Vergehendes Blau“ las, in dem Goethe eine zentrale Rolle spielt. Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, dass Christian und ich quasi Klassenkameraden im Internat der Hermann-Lietz-Schule gewesen waren. Allerdings hatte er die Klasse Mitte 1951 verlassen, während ich erst im Herbst 1951 dazukam. So sind wir uns in der Schulzeit nie begegnet, hatten aber die gleichen Schulkameraden. Damit war von Anfang an eine gemeinsame Grundlage gegeben: der Lietzer Stallgeruch. Eine starke Verbindung. Es wurde eine intensive Freundschaft, die jetzt ihr Ende findet.
1999 wurde die Goethe-Gesellschaft in Rosenheim auf Initiative von Willi Schmid gegründet, und man wählte mich zum Vorsitzenden. Für die Goethe-Gesellschaft in Rosenheim war meine Freundschaft mit Christian Doermer eine Bereicherung. Viele Anregungen und Veranstaltungen haben wir ihm zu verdanken. So ist die Verbindung der Goethe-Gesellschaft in Rosenheim zu dem Schauspieler August Zirner und seiner Frau Christian zu verdanken. Ohne ihn wären wir um viele eindrucksvolle Veranstaltungen mit diesem bekannten Schauspielerpaar ärmer.
Mit Christian zusammen habe ich Veranstaltungen mit den Themen „Der Tod des Sokrates“ (nach einem Hörspielmanuskript von Christian), „Lessing und die göttliche Vernunft“, „Kampf mit dem Dämon (Zweig und Nietzsche)“ unter anderem gestaltet. Auch hier ist zu sagen: Ohne ihn hätten diese Abende nicht stattfinden können.
Am 17. Juni 2015 ging meine Tätigkeit als Vorsitzender zu Ende. An diesem Abend stellten Christian und ich ein Kapitel der Reihe: „Goethe erzählt sein Leben“ vor. Die damalige Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer, die dem Abend mit ihrer Laudatio eine besondere Bedeutung gab, war besonders auch von Christians markanter Schauspielerstimme sehr beeindruckt.
Eines der vielen Projekte von Christian Doermer waren die „Philosophischen Exkursionen“ in Sils Maria, die Friedrich Nietzsche gewidmet waren. Über 30 Jahre fanden sie in jedem Spätsommer statt. Er hat auch einen Film dazu gedreht. Mehrere Male durfte ich daran teilnehmen und auch aktiv mitgestalten. Ein großer Lebensmoment, ein wunderbares Erlebnis für mich! Es ging ja nicht nur um Philosophie, auch die großartige Landschaft, in der diese Nietzsche-Tage stattfanden, spielte eine wichtige Rolle, mit Wanderungen, einmal beispielsweise zu dem dichtenden Almhirten Alfred Tardy.
Unwiederbringliche Zeiten, wir wollen sie nicht vergessen. Wir werden Christian Doermer nicht vergessen.
Bernd Westermann war
Professor an der Fachhochschule (heute Technische Hochschule)
Rosenheim und wurde 1996 pensioniert. Von 1999 bis 2015
war er Vorsitzender der Goethe-
Gesellschaft in Rosenheim.