Das Sichtbare ist nicht gleichzusetzen mit der Wirklichkeit des Gesehenen

von Redaktion

Die Ausstellung „Wirklich? oder wahr?“ von Jutta Mayr und Horst Beese in der Galerie am Markt in Neubeuern

Neubeuern – „Wirklich? oder wahr? Ihr habt Euch einen philosophisch hoch anspruchsvollen Titel zu Eurer gemeinsamen Ausstellung gewählt.“ Mit diesen Worten eröffnete Herbert Stahl, der Vorsitzende des Kunstvereins Traunstein, die Gemeinschaftsausstellung des Mitglieds des Künstlerkreises Neubeuern, Jutta Mayr, und ihres Gastes Horst Beese.

Der Titel ist bewusst mit Fragezeichen versehen, denn Wirklichkeit und Wahrheit sind zwei Begriffe, zwei unendlich umfangreiche Bereiche der Philosophie, mit denen sich seit unendlichen Zeiten die Menschen auseinandergesetzt haben. Die Wahrheit ist immer ein der Wirklichkeit übergeordneter Begriff. Etwas, das vielschichtiger ist und uns sehr viel mehr Denken und Einfühlen abverlangt, als uns nur mit der scheinbaren Wirklichkeit zu beschäftigen.

Für beide Künstler bedeutet dies eine malerische und zeichnerische Auseinandersetzung mit dem, was sie sehen und wahrnehmen, und dem, was da ist, was scheinbar wirklich ist. Für beide ist die Zeichnung die bedeutendere Art, um künstlerisch darzustellen, dass das Sichtbare in ihren Zeichnungen nicht gleichzusetzen ist mit der Wirklichkeit des Gesehenen. Zeichnen heißt für beide, nicht nur das wahrzunehmen, was sie sehen, sondern auch das, was sie nicht sehen. Der Künstler Horst Beese begann nach seinem Architektur-Ingenieur-Studium an der technischen Fachhochschule Berlin ein Studium der Malerei und Kunstpädagogik an der Hochschule der Künste Berlin und lebt und arbeitet seit seinem Umzug 1998 als freischaffender Künstler im Chiemgau.

Sein zeichnerisches Werk zeichnet sich durch ein hochgradiges Können und eine Beherrschung der zeichnerischen Mittel aus. Er arbeitet in seinen Zeichnungen und auch Malereien zum großen Teil nach Fotos. Allerdings sind die Fotos nur Ideengeber. Die Bilder werden verändert, neu zusammengesetzt, die Inhalte verdichtet und bekommen dadurch eine völlig neue bildnerische Wirklichkeit. Die Bilder von Horst Beese erzählen Geschichten, aber sie erzählen nur den Anfang, den Rest müssen sich die Betrachter dazu denken.

Jutta Mayrs Malerei und ihre Zeichnungen sind anders ausgerichtet. Da in ihren Arbeiten Erlebtes und beobachtete Wirklichkeit die Inhalte bestimmen, schafft sie sich ihre ureigensten bildnerischen Wahrheiten. In ihren Zeichnungen interessiert sie nicht so sehr das äußere Abbild, die Wirklichkeit, sondern sie findet vielmehr die Verfassung des vor ihr befindlichen Modells spannend. Formrichtigkeit spielt keine Rolle, Proportionen ordnen sich dem Inhalt unter. Köpfe und Gesichter sind häufig das Wichtigste. Deshalb sind sie in den meisten Zeichnungen größer als Körper und Gliedmaßen. Die Künstlerin erläutert dazu: „Ein Bild hat nicht die Aufgabe, Antworten zu liefern, sondern Fragen aufzuwerfen, Gedanken aufzubrechen und Gefühle zu berühren.“

Die Bilder dieser Ausstellung wollen nicht beruhigen, sondern sie wollen uns auffordern, in ihre bildhafte, existenzielle Tiefe einzudringen, damit wir uns der Frage stellen: „Wirklich? oder wahr?“ Edith Riedl

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