Wasserburg – Als die Glocken läuten, wird es dunkel in der Klosterkirche Attel, die sieben Sänger und Sängerinnen des Ensembles Cantando Admont aus Graz treten auf und knipsen nur ihre kleinen Pultlämpchen an. Hinter ihnen stehen zwei große Leinwandtafeln mit sieben großen gemalten Darstellungen des weinenden Petrus aus der Barockzeit in exaltierten Leidensposen, alle mit himmelwärts gerichteten Augen.
Übermalte
barocke Bilder
von Andreas Legath
Andreas Legath hat diese barocken Bilder übermalt, hat ihnen narrative Symbole für Petrus beigegeben wie den Hahn, das Schwert, Schlüssel und das umgekehrte Kreuz und hat die Augen blutunterlaufen rot gemalt: Zeugnisse des grenzenlosen Schmerzes, mit dem Petrus bereut, Christus verleugnet zu haben.
Es ist das erste der drei Konzerte unter dem Generaltitel „Inntaler Klangräume“, unter dem Andreas Legath seit nunmehr zehn Jahren im Herbst Inntaler Kirchen mit Musik und Kunst „bespielt“. In Attel stehen die „Lagrime di San Pietro“ von Orlando di Lasso auf dem Programm, also die Tränen des heiligen Petrus. Es ist Lassos Schwanengesang, sein letztes Werk. Auf einen italienischen Text von Luigi Tansillo hat Lasso für siebenstimmigen A-cappella-Gesang sieben Sätze komponiert, ein Spiel mit der heiligen Symbolzahl.
Während die Sänger singen, wird jeweils eines der sieben Petrus-Gesichter angeleuchtet, und zwar in verschiedener Leuchtkraft, sodass die Plastizität der Assemblagen deutlich hervortritt. Zwischen der Spätrenaissance-Musik und der modern übermalten Barockkunst entfaltet sich somit eine höchst meditative Wechselwirkung, die die Zuhörer tief anrührte – auch wenn es ein sehr hermetischer Kunstgenuss war.
Den grenzenlosen Schmerz hat Lasso in grenzenlose Schönheit überhöht: Klänge schichten sich übereinander, verflechten sich kunstvoll polyphon und finden sich in immer neuen Kombinationen zusammen, schwellen expressiv an oder scheinen sich im schwimmenden Piano zu verlieren. Die drei Sängerinnen und vier Sänger von Cantando Admont ziehen mit leichter, müheloser Stimmgebung und sowohl klaren, ja keuschen, als auch warmen Stimmen die polyphonen Linien deutlich nach in vollkommener Transparenz und chorischer Balance.
Manchmal wünschte man sich etwas mehr üppigere Expressivität für den grenzenlosen Schmerz der Tränen, den Sängern aber war die grenzenlose Schönheit wichtiger.
Zum Finale
wirkliche Tränen
auf den Gemälden
Für den letzten Satz, der in lateinischer Sprache die Hinwendung auf den Hörer bringt, wanderten die Sänger und Sängerinnen nach hinten und intonierten von dort aus den Gesang – mussten aber zweimal ansetzen, was die expressive Fragilität dieser Musik demonstrierte. Währenddessen begannen – zum Erstaunen aller – von oben herab wirkliche Tränen über die Abbilder Petri zu rinnen wie in einem Schüttbild von Hermann Nitsch: ein theatralischer Effekt, der an die Aufführungen des „theatrum sacrum“ in barocken Klosterkirchen erinnerte und der die Zuhörer vollends erschütterte.