Bad Aibling – Mit sanfter Stimme und feinem Timbre begann die aus Mietraching stammende Eva Niedermeier in der Stadtbücherei die Gestaltung eines lyrischen Abends zum Thema „Liebe“, nachdem der erste Bürgermeister Stephan Schlier mit einführenden Worten die 34. Bad Aiblinger Literaturtage eröffnet hatte. Die junge Poetin wechselte dabei immer zwischen der Rezitation ihrer Gedichte und dem Singen ihrer Lieder, zu denen sie sich mit stimmungsvollen Akkorden auf der Gitarre begleitete. Die Texte, zum großen Teil aus ihrem Buch „Sternhagelverloren“ genommen, beleuchteten die Liebe aus verschiedenen Perspektiven und legten eine breite Palette an Erscheinungsformen offen. Indem Niedermeier mit Redewendungen und Wörtern ironische Spiele trieb, entzog sie sich jeglicher Klischees. Viele Gedichte und Lieder kamen sehr melancholisch, was aber durch subtile Untertöne und humorvolle Wendungen abgefangen wurde. Zudem führte Niedermeier mit Witz und Charme durch ihr facettenreiches Programm, so dass der Abend für das begeisterte Publikum auch sehr kurzweilig wurde. Viele Gedichte wandten sich an ein imaginäres Gegenüber und enthielten auch kritische Aspekte. So lehnte das lyrische Ich „Auftragsgedichte“ ab oder beanstandete in „Du warst mein Nordpol“ die Gefühlskälte des Partners. Genaue Beobachtungsgabe gekoppelt mit Einfühlsamkeit verriet das Gedicht „Fensterblicke“, und in „Blind Date mit einem nicht blinden Mann“ konfrontierte Niedermeier durch Partizipien ausgedrückte Äußerlichkeiten mit der Hoffnung auf wahre Liebe, die auch blind für solche Äußerlichkeiten möglich sein sollte.
Einige Gedichte enthielten Anspielungen und Zitate. In den Gedichten „Das Schweigen der Männer“ oder „In guten wie in echten Zeiten“ waren beispielsweise Filmtitel ironisch verändert. Ein Zitat aus dem Film „Casablanca“ mit Paris als Stadt der Liebe wurde zu der Gedicht-Überschrift „We’ll always have Ulm“, worauf thematisch passend der melancholische Song „Das hier ist nicht Paris“ folgte.
Zu den Höhepunkten des Abends gehörten Niedermeiers Reminiszenzen an ihre Anfänge als Poetry-Slammerin. Das waren zwei auswendig und mit unterstützender Gestik vorgetragene längere Texte, die schon durch den eigenwilligen Groove und das hohe Sprechtempo Bewunderung hervorriefen. Besonders die wie ein Musikstück mit vielen Reimen gestaltete Geschichte von „Kalle plus Susanne“ erzielte eine große Wirkung.
Darin entdeckt eine junge Frau um halb fünf Uhr morgens auf einer Bank eben die eingeritzten Namen, lässt ihrer Fantasie freien Lauf und projiziert in beide unterschiedliche Vorstellungen über deren Liebesbeziehung, bis ein alter Mann bei ihr Platz nimmt und ihr ein Bild seiner geliebten Susanne zeigt. Schließlich folgte auf das offiziell letzte Lied „Das hast du gut gemacht“, einen ironisch-melancholischen Blick auf den Alltag eines Künstlers, als Zugabe noch der Song „Ich wär dabei“ mit einem Mitmachteil für das begeisterte Publikum. Richard Prechtl