Rosenheim – Lucy van Kuhl bringt es auf den Punkt: „Abstand hat auch was Gutes, ein Hoch auf die Distanz“ – mit diesem schwungvollen Einstiegssong startete die exzellente Pianistin, Kabarettistin und Liedermacherin Lucy van Kuhl ihr beeindruckendes Abendprogramm „Dazwischen“. „Den Song habe ich vor zweieinhalb Jahren in Präsenz geschrieben, jetzt aber in die Vergangenheitsform gesetzt“, in der Hoffnung, dass Lockdown endgültig der Vergangenheit angehört. Doch selbst dem Lockdown kann van Kuhl was Gutes abgewinnen. Dazwischen nutzte sie ihre Zeit an ihrem Zweitwohnsitz in Südfrankreich, sich Gedanken über die ständigen Entscheidungen im Leben zu machen und Songs zu schreiben.
Es entstanden Dankeslieder an den Berliner Fernsehturm, der als Lichtblicke gebender Haltepunkt manche Depression wegleuchtet, amüsante Texte über aussterbende Berufe wie „Lotte, das Lesezeichen“, ein lebensmüdes Smartphone, oder in aktives Leben umgesetzte Freundschaftsanfragen der Social-Media-Plattformen, die am Kudamm mit fünf neuen Freunden in Form von Polizisten und Psychiatern enden.
„Frühstück bei Tiffany“ war ihre Romantik – doch wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist? Vielleicht auf eine Kreuzfahrt, die zur schwungvollen Melodie von „Eine Seefahrt, die ist lustig“ im Kickdown des Ehepartners endet. Mit sensiblen Chansons, die unter die Haut gehen, zeigt Lucy van Kuhl, dass Kleinkunst nicht nur Kabarett und Lachen ist. Bei dem Apfel-Lied gegen Klischeedenken, tiefgründige Lieder über Knöpfe-Drücker oder Trennung wird es still im Saal des Lokschuppens, bis zum Finalapplaus. Lucy van Kuhl ist eine Künstlerin, die Lust auf CDs macht, um ihre Texte immer wieder hören zu können. Gleich, ob lustig oder traurig, schwungvoll oder ruhig – „Dazwischen“ ist das ganze Leben. Claudia Sieberath