Kendlingers Musik kehrt heim nach Tirol

von Redaktion

Die „K & K Philharmoniker“ aus dem ukrainischen Lemberg im Festspielhaus Erl

Erl – Vor über zwanzig Jahren hat er die Tiroler Festspiele Erl mitbegründet, hat dann sein eigenes Konzertunternehmen aufgebaut, ist mit seinem eigenen Orchester, den „K & K Philharmonikern“, mit Musik von Johann Strauß durch die Welt gereist, hat die Tiroler Beethoventage in Thiersee mit aus der Taufe gehoben, hat sich selber das Dirigieren und dann auch das Komponieren beigebracht und für seine Werke im ukrainischen Lemberg, wo seine Musiker herkommen, ein eigenes Festival ins Leben gerufen – und nun steht Matthias Georg Kendlinger, aus dem nahen Walchsee gebürtig, in zwei Konzerten auf der Bühne des Festspielhauses in Erl und ist gerührt: Seine Musik ist heimgekehrt nach Tirol.

Vollrauschend
und tonpompös

Zunächst aber dirigiert er die Musik eines anderen, der ihm Vorbild ist: Filmmusik von John Williams. Fantastisch perfekt, rhythmisch messerscharf mit einem wie entfesselt spielenden Pauker, vollrauschend und tonpompös spielt das ukrainische Orchester unter Kendlingers Leitung, der gar nicht viel selber machen muss.

Und so marschieren die Jedi-Ritter und reitet mitreißend der hut- und peitschenbewehrte Indiana Jones akustisch über die Bühne, schwirrt flirrend Hedwig, die Schnee-Eule aus „Harry Potter“, durch die Luft, sehnt sich „E.T.“ herzzerreißend nach Hause und am Ende droht unheimlich die Flosse des Weißen Hai.

Nach der Pause dann steht Kendlingers Sohn Maximilian auf der Bühne und dirigiert die Werke seines Vaters, durchaus selbstbewusst, straff, zielstrebig und animierend. Kendlingers Musik zielt auf emotionale Überwältigung, er komponiert gleichsam mit der Löwenpranke. Es dominieren Düstermärsche und Moll-Melancholie mit zwischendrin ein wenig aufgehellter Insel-Idylle, insgesamt herrschen schwerblütig-dunkle Klangfarben, die Basstuba und vor allem das Schlagwerk sind sehr viel beschäftigt.

Zwei Werke stechen durch helle Farben heraus: die „Festfanfare Nr. 1“ sowie der fröhlich lärmende Geschwindmarsch „Familienmarsch“. Die Werk-Titel sind hochbedeutsam. „Heilung“ nennt sich eine harmonisch lind schillernde „Meditative Dichtung für Streichorchester“, vom ukrainischen Orchester balsamisch gespielt, „Galaxy“ heißt das Violinkonzert a-Moll, das dem Konzert den Gesamttitel gibt: „Galaxy of Kendlinger“. Dessen wehmutsvolles Andante klingt von fern an die Musik zu dem Film „Schindlers Liste“ an, der Konzertmeister Ihor Muraviov kniet sich richtiggehend in diese Wehmut hinein. Die 3. Symphonie in es-Moll für Orchester, Chor und drei Solisten behandelt in fünf Sätzen die Menschenrechte, drei Sätze daraus werden gespielt: Mit „Nachdenklich“ ist das Adagietto betitelt, wieder herrscht der Trauermarsch-Rhythmus, während die Pauke ein knallig-aufrüttelndes Solo hinlegt, schließlich rufen die Solisten (Anna Shurmarina, Oleg Lanovyy, Stepan Drobit) stimmstark die einzelnen Menschenrechte auf, der Chor antwortet hymnisch und alle beschwören die Einhaltung der Menschenrechte, die gerade in der Heimat dieser Musiker von Putins Soldaten zerschossen und zerbombt werden: Bekenntnismusik von höchst grausamer Aktualität.

„Neue Konzertformen“ wollte Kendlinger bieten: Gelungen ist ihm das mit dem Auftritt des charismatischen Tänzers Yann Antonio. Der wirbelt schlangengleich und punktgenau zu den bisweilen leicht jazzigen Klängen der Symphonischen Dichtung „Der verlorene Sohn“ vorne über die Bühne: eine Verschlingung von erzählender Musik und Tanz.

Volkslieder
voller Inbrunst

Gelungen auch nach dem Wiederholungskonzert in der Matinee tags drauf: Die ukrainischen Streicher spielten im Foyer zu Gratisgetränken als Sextett samt virtuosem Akkordeonisten alpenländische Volkstänze aus Kendlingers Frühzeit, danach wechselten die Choristen vom Smoking und Abendkleid zu ukrainischen Trachten und bunten Herrenblusen und sangen unter der hochanimierenden Leitung des Chormeisters Vasyl Yatsiniak voller Inbrunst ukrainische Volkslieder: Und alle fuhren darauf wieder in ihre vom Krieg gebeutelte Heimat.

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