Dramatisch erzeugte kreative Unruhe und viel Spannung

von Redaktion

Mit dem Milan-Svoboda-Quartett gastiert eine Spitzenband der tschechischen Jazzszene im „Le Pirate“

Rosenheim – Wer am Sonntagabend den Rosenheimer Jazzclub am Ludwigsplatz betrat, sah mehrere Herren im leicht fortgeschrittenen Alter auf der Bühne zwischen ihren Instrumenten chillen. Drei davon mit Baseballkappen und einer mit Panamahut, irgendwie im Urlaubsmodus. Meist gibt es ja Platz, wenn die Musiker die Bar freimachen, dann können Gäste nachrutschen, doch diesmal war es von Anfang an recht gut besucht.

Und wer gedacht hatte, die reiferen Herren würden vielleicht ein paar gemütliche Jazz-Standards abliefern, sah sich getäuscht. Denn gleich mit den ersten Takten überraschte das Quartett um Bandleader Milan Svoboda mit geballter Jazzpower, hohem Tempo und Virtuosität. Kein Wunder, die seit 35 Jahren bestehende Band gehört zu den Top-Acts der tschechischen Jazzszene, tourt international und gastiert auch auf den großen Jazzfestivals. Im „Le Pirate“ stellte das Quartett die von Svoboda komponierte CD „Late Harvest“ vor, die sich thematisch dem „Wein“ widmet, was ja gerade im „Le Pirate“ mit dessen wohlkomponierter Getränkekarte nicht so ganz verkehrt ist.

Druckvoll ging es mit dem Titelstück in die erste Runde, mit einem von Milan Krajic energetisch bedienten Tenorsaxofon, rhythmisch unterstützt von Filip Spaleny am E-Bass und Ivan Audes am Schlagzeug. Dazu förmlich über die Tasten des Pianos fliegend Bandleader Svoboda, ein Hans Dampf mit unglaublichem Antrieb, er leitet zusätzlich zum Quartett auch noch eine Bigband. Nach diesem positiven Auftakt folgte das nächste Funk-Jazz-Stück „In the evening“ , wieder mit starkem Saxofon und diesmal mit einem markigen Solo vom E-Bass, der akustisch für manche im hinteren Bereich des Clubs das Piano überdeckte – an der Bühne und in der Mitte war das quirlige, filigrane Spiel Svobodas gut zu hören.

Das Stück „Summer wimsy“ im Stil von Krimi-Soundtracks brachte auch eine Gruppe junger Spontanbesucher im Techno-Alter zum Grooven, Krajic war inzwischen zum lyrischeren Sopransaxofon übergewechselt. Die Band überraschte nicht nur mit ihren tollen, frischen und unkonventionellen Sound-Ideen, sondern begeisterte die Gäste mit fließenden Übergängen zu den Soli und retour zum Ensemblespiel.

Schön schräg geriet „Hocus Pocus“, mit dramatisch erzeugter kreativer Unruhe und viel Spannung, Bandleader Svoboda drehte nun mächtig auf am Piano und lachte nach dem langen Stück – wie überhaupt die Stücke suitenähnlich und grundsätzlich länger waren – begeistert vom Pianohocker ins Publikum. Tolles Konzert mit kreativer, frischer Jazzpower aus Prag und dichter Atmosphäre im kleinen Club.Andreas Friedrich

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