Rosenheim – Hört man das Reizwort Böhmen in Zusammenhang mit Musik, denken wir reflexartig an Dvorak und Smetana. Doch die neue CD „Streichtrios aus Böhmen“ spannt den Bogen weiter: Nach den musikantisch-liebenswerten Mozart-Zeitgenossen Johann Baptist Vanhal und Vaclav Pichl, deren serenadenhaft unbeschwerte Musik uns in die Welt des Eichendorffschen „Taugenichts“ entrückt, führt der Weg unmittelbar ins 20. Jahrhundert zu Bohuslav Martinu und zu Roland Leistner-Mayer. Dieser wurde 1945 in Graslitz (Kraslice) geboren und lebt seit längerem in Brannenburg am Inn. Sein Streichtrio op.158 soll in unserer Betrachtung im Mittelpunkt stehen.
Kammermusik ist ein gewichtiger Teil im Schaffen Leistner-Mayers. Seine Streichquartette, die Bratschen- und Kontrabass-Sonate erschienen alle schon auf CD in erstklassiger Besetzung und wurden auf dieser Seite besprochen. Für sein neues Werk fand der Komponist wieder Interpreten von Rang, das Deutsche Streichtrio mit Ingolf Turban (Violine), Jürgen Weber (Viola) und Reiner Ginzel (Violoncello).
Die drei Herren gehen die Musik mit Elan und breiter Farbpalette an. Samtweich erklingen geschmeidige Kantilenen, mit aufgerautem Ton stürmen die vertrackten, aber tänzerischen Rhythmen dahin. Leistner-Mayer lässt den Hörer nie im Regen stehen, sondern nimmt und reißt ihn mit. Mit Vergnügen folgt man dem klaren, aber nie simplen „Gang der Handlung“. Fein abgestimmt erklingen die formalen Übergänge; der Wechsel der Harmonien hält den Hörer in angeregter Spannung.
Roland Leistner-Mayer weiß Tradition und Innovation klug zu verbinden, ja zu verschmelzen. Das viersätzige Werk verleugnet nicht seine klassische Herkunft, doch das „Strickmuster“ zeigt die persönliche Handschrift des Künstlers, ein vitales Musikantentum, das auch eine Vielzahl gedämpfter Farben kennt. Besonders innig geraten dem Komponisten langsame Sätze. „Moderato arioso“ ist ein weitausholender Gesang, in dem die drei Streichinstrumente sich zu einem dichten Gewebe und intensiver Expressivität verbinden. Nach einem sehr lebendigen Mittelteil findet der Satz wieder zurück zu mäßigem Tempo und verebbt in einer sphärisch verdämmernden reinen Quinte. So etwas muss einem einfallen!
Auf Moden und aktuelle Trends verzichtend dürfte Roland Leistner-Mayer zu den zur Zeit markantesten Komponisten in Deutschland zählen.Walther Prokop