Raubling – Kabarett in Zeiten des Ukraine-Krieges? Christian Springer darf das! Denn Springers neues Programm ‚nicht egal!‘ fordert und fördert aktives Nachdenken. Mit der groben Keule holt er ordentlich aus und liefert das, was man von ihm erwartet: Meinungsstark platziert er seine Pointen zu aktuellen Themen aus Politik und Gesellschaft ab.
Zunächst reflektiert er, ob man in Zeiten, in denen es den Menschen in der Ukraine so schlecht geht, überhaupt lachen darf. Er kommt zu dem Schluss, dass das politische Kabarett aufgrund seiner gesellschaftskritischen Funktion die Verantwortung habe, Meinung zu zeigen. Als Beleg zitiert er Erika Mann, die in der NS-Zeit politisches Kabarett machte und vor den Nazis fliehen musste: „In Zeiten wie diesen darf man nicht Kabarett machen – Man muss Kabarett machen.“
Insgesamt, so sein Resümee, könne man ohnehin nicht alles richtig machen, da sei es viel klüger, sich auf ein oder zwei Dinge zu fokussieren. So sei er denn beispielsweise vom „Vollbader“ zum „Kurzduscher“ mutiert.
Dass das Gegenteil von fokussieren, nämlich breitgestreuter Aktionismus, nicht gut ist, speziell als Politiker, veranschaulicht Springer am Beispiel Christian Lindners mit sarkastischem Spott über den Tankrabatt: „Wir nennen den Sprit jetzt Lindner-Tröpferl!“.
Und bei ‚schlecht regieren‘ fällt ihm auch gleich noch auf, dass man, sobald man Bayern verlässt, überall auf Windräder trifft. Nur in Bayern halt nicht. Die Schuld dafür sucht er bei allen bayerischen Ministerpräsidenten – bis zurück zu Franz Josef Strauß, dem er vor langer Zeit einmal zwei Eier nachgeworfen, aber diesen nicht getroffen habe.
Nicht fehlen durfte beim Politiker-Bashing der Ukrainekrieg, der, wie er betont, ja nicht im Februar 2022 losgegangen sei, sondern bereits 2014 mit der Annexion der Krim, was aber in der Politik kaum jemand bemerkt habe.
Die Bedrohung durch russische Atombomben sieht Springer eher gering, denn „Russland hat 6500 Atombomben, aber nur einen roten Knopf – und wir kennen ja das russische Graffl!“ Dennoch stülpt er sich demonstrativ vorsichtshalber mal seine Ledertasche über den Kopf, weil er die Hoffnung habe, das würde ihm im Falle des Falles helfen – bietet sie aber kurz darauf zum Verkauf an, weil ihm einfällt, dass „der Scholz“ ja auch so eine habe, und wenn dann nur er und „der Scholz“ überleben würden, das könne er nicht ertragen.
Natürlich wird bei Verbalartist Springer auch das Gendern durch den Kakao gezogen. Sprechen und Schreiben stolperten oft über das Sternchen und die Sinnhaftigkeit stehe generell infrage, so lange nicht Männer und Frauen für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn bekämen, so der Kabarettist.
Beim Blick ins Publikum fällt auch dem Kabarettisten auf, dass das Durchschnittsalter doch eher etwas höher ist. Das kommt vielleicht auch daher, dass die Botschaft, die durchaus aktuell ist, etwas zu viel mit Beispielen der ferneren Vergangenheit vermittelt wird. Die wenigen Schüler, die sich zur Vorstellung einfanden, haben sicher wenig Bezüge zu Franz Josef Strauß oder der Ölkrise von 1972.
Die Mission Christian Springers für Toleranz und Mitmenschlichkeit ist wichtig und aktuell, dennoch wünscht man sich die Darstellung, die eingebettet in schrägem Witz und skurrilem Biografischen ist, bisweilen etwas moderner, um auch die Jugend mit auf den Weg zu nehmen.
Anpacken, helfen und den Mund aufmachen, wo es Not tut, seien ihm durch Erziehung und Vorbild seiner ‚Mama‘ bereits in die Wiege gelegt. Der vielseitige Kabarettist grätscht nicht nur mit seinem Solo-Kabarett, sondern auch mit seinen Büchern bei den aktuellen Debatten dazwischen. Neben seinen Büchern über den Nahen Osten, „Wo geht’s hier nach Arabien“ und „Nazi, komm raus“ über seine jahrzehntelange geheime Suche nach dem NS-Massenmörder Alois Brunner in Syrien gibt es jetzt ein ganz Aktuelles: „Ich und der Russe“. Kabarett, Bücher und Engagement zeigen, um was es Christian Springer geht: nicht nur reden, sondern selbst anpacken, um die Welt ein bisschen menschlicher zu machen – denn schließlich ist es nicht egal.
Karin Sönmez