Prien – Die Ausstellung „Künstlerlandschaft Chiemsee ‘22“ präsentiert sich in der Galerie im Alten Rathaus deutlich moderner und jünger als bisher. Unter den knapp 100 Exponaten, die von einer siebenköpfigen Jury ausgewählt wurden, finden sich neben zahlreichen arrivierten Künstlern wie Lenz Hamberger, Josef Werner, Magdalena Engels, Hermann Wagner und Ekkehard Wiegand viele junge Kreative, die Kunst auf ihre eigene Weise interpretieren.
Junge Künstler mit frischen Gedanken
Sie sind am Puls der Zeit und setzen sich mit ihren Gemälden, Fotografien, Skulpturen und Holzarbeiten mit den aktuellen Fragen der Gegenwart auseinander – und dies teils mit Witz oder einer Doppelbödigkeit, die fasziniert. Gleich beim Betreten der Galerie trifft der Gast auf zwei Exponate, die in Position Ausdruck und Stil nicht gegensätzlicher sein könnten und einen provozierenden Spannungsbogen schaffen: Franz Feistls „Die Wächter des Elfenhauses“ und Stefanie Friedrichs „Irrrrlichter“. Im ersten Stock weisen die großformatigen grauen Perlen auf blauem Hintergrund von Elisabeth Mehrl auf versteckte Sehnsüchte hin.
Jeder Blick schafft neue Zusammenhänge
Beim Gang durch die vielen Räume eröffnet ein Blick zurück neue Einsichten und zeigt die ungemein gelungene und harmonische Hängung, die dem Besucher immer wieder neue Szenarien präsentiert: Vorbei an den „Gegenständen am Strand“ von Katharina von Werz, dem Aquarell „Arno Fischer“ von Maximilian Schmetterer sowie der mit Witz arrangierten metallenen Skulptur „Unter Beobachtung“ von Josef Werner lockt im nächsten Raum die Holzfigur mit ausgestelltem Bein „mal testen …“ von Theresa Springl. Dort angelangt, fängt der düster in Schwarz gehaltene „Systemerror“ von Inge Kurtz den Betrachter ein und hält ihn gedanklich gefangen.
Der kleine Mann im roten Boot von Regina Marmaglios Inszenierung „ausgelaufen“ an anderer Stelle scheint etwas verloren und blickt erstaunt auf die von Manuel Michaelis bedrohlich inszenierte Familienidylle „Poetry of the Trivial“. Der blanke Horror zeigt sich dort im vertrauten Spiel im Garten, lässt den Betrachter erstarren und grübeln, was sich wohl hinter dem trügerisch schönen Schein verbirgt.
Fotografien vom verschneiten Winterwald „Kühle Geste“ ein Zimmer weiter stammen vom Gewinner der Priener Kunst-Zeit 2021, Milan J. Mulzer, von Karin Schneider-Henn, die während der blauen Stunde eine stimmungsvolle Momentaufnahme beim „Kunstpark Ost“ festhält sowie von Martin Weiand, der „Schnelles Wasser“ kunstvoll in Szene setzt. Anian Herden lässt in drei Sequenzen fotografisch einen roten Luftballon wie von Zauberhand in Scherben zerfallen.
Im zweiten Obergeschoss findet sich neben dem „Wald“ von Thomas Hans, einem Holz-Relief, gesägt und geflammt aus Fichte, die weißen reliefartigen „Gräser“ aus Kalkmörtel und die Kugeln „Surreal“ aus Kreide auf Gips von Michael Schumacher sowie die Bronze-Skulptur von Anna Moll von Zumbusch „Tizzano“, die sich wundervoll vor der unverputzten Wand des Raums inszeniert. Neben den spannend verfremdeten „Insekten“- und „Käfer“-Prints in kräftigem Pink und leuchtendem Neongrün von Peter Pohl fasziniert die Holz-Skulptur „Auf der Schwelle“ von Valentin Diem. Dessen Schnitzarbeit einer weiblichen Büste mit männlichem Antlitz verblüfft durch ihre hervorstechenden, leicht grünlich wirkenden Augen, die den Betrachter auch aus der Ferne fixieren. Sehr beeindruckend auch Gerhard Prokops fotorealistische Gemälde von Treppen in Italien. Sie ziehen den Betrachter tief ins Bild, auch aufgrund der matten Firnis, die jegliches Spiegeln verhindert.
Die roten Akzente leiten farblich über in den Raum der Studioausstellung mit Werken von Sylvia Roubaud, in deren Exponate Rot und Schwarz dominieren. Um ihnen noch mehr Kraft zu verleihen, ließ die Künstlerin einen großen Kreis in „Pompeij-Rot“ an die Wand malen – einer aufgehenden Sonne gleich. Ihre „rote Linie“, wie die Rosenheimer Kunsthistorikern Dr. Evelyn Frick in ihrer Laudatio erläuterte, ziehe sich durch alle Gemälde im Raum.
Starke Farben und klare Linien wirken
In ihrem von Schwarz dominierten Triptychon „Zwischen den Zeiten – Raum“ verbinden sich die Linien, indem das mittlere Gemälde tiefer hängt. Es zeigt von links beginnend die Ruhe, die in der Mitte in einen Konflikt übergeht, um dann rechts in die Freiheit zu gelangen. Für Sylvia Roubaud muss es am Ende immer positiv sein, so die Künstlerin im Gespräch.
Hohe Qualität
der Werke
Positiv ist am Ende des Rundgangs der Eindruck über die Ausstellung und die hohe Qualität der Werke. Ein Grund dafür könnte die sommerliche Kunst-Zeit gewesen sein, die Prien noch stärker in den Fokus als Kunstort gesetzt hat. Sie hat frischen Wind in die Werkschau gebracht und den kreativen Spannungsbogen erhöht – und gezeigt, wie groß die Vielfalt des künstlerischen Schaffens am Chiemsee ist. Der Nachwuchs ist präsent und damit die Kontinuität der Künstlerlandschaft Chiemsee gesichert.