Traunstein – Trotz der ständigen Überflutung mit Bildern durch Instagram, Tiktok, Twitter und andere soziale Medien wohnt guter Fotografie doch immer noch ein besonderer Zauber inne. Das gilt auch für die Fotografin Anna Aicher. Mit 29 Jahren mag man sie noch für jung halten, aber die Auswahl und Präsentation ihrer Motive strahlen etwas Fesselndes aus, das Erfahrung und Talent erkennen lässt: Ruhe, Intensität, Fokussiertheit und den Blick für ungewöhnliche Details und die Offenheit für das Gegenüber. Mit ihrer ersten größeren Einzel-Ausstellung ist sie noch bis 6. Januar im Kulturforum Klosterkirche präsent.
In Traunstein
geboren
Anna Aicher ist in Traunstein geboren und hat ihre Ernsthaftigkeit für den Beruf bereits sehr deutlich gemacht. Von 2014 bis 2016 absolvierte sie eine Ausbildung zur Fotografin an der Ausbildungsstätte des Lette-Vereins in Berlin. 2015 erhielt sie eine Auszeichnung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung, 2016 wurde sie mit dem Lette Design Award geehrt. In diesem Jahr zählte sie zu den nominierten Förderpreisträgern der Landeshauptstadt München.
Überdies ist sie Mitarbeiterin in der Galerie FOTOHOF in Salzburg. Für die ZEIT und das SZ-Magazin fotografierte Aicher als freischaffende Fotografin überdies engagierte Reportagen etwa über einen Paparazzo-Kollegen, einen Rollstuhltischtennisspieler, einen von Deutschlands letzten Hutmachern oder Freundinnen, die mit demselben Mann verheiratet waren.
Was bereits hier auffällt, ist die Konzentriertheit und Individualität, mit der Anna Aicher in ihren Fotoporträts Geschichten von ihrem Gegenüber erzählt. Dies gilt umso mehr für ihre aktuelle Ausstellung in Traunstein „Like Father, like Son“, zu der auch ein als Künstlerbuch gestalteter Katalog erschienen ist. Der Titel verweist auf eine langfristig angelegte Foto-Reportage, in der Aicher Vereine porträtiert, die ländliche Brauchtumstraditionen in Bayern und Österreich pflegen oder die Momentaufnahmen aus der Ranggler-Szene zeigen.
Faszinierend weiß die Fotografin dabei selbstbewusste Porträts eines überregional bekannten Meisters dieses Sports zu zeigen: den 2021 zum Alpenländerkönig gekürten Hans Schwabl aus Inzell. Aicher hält Details von Ranggler-Wettbewerben fest und präsentiert Szenen von Kindern und Jugendlichen voll spontaner Unbeschwertheit, Heiterkeit oder bei konzentrierten Kraftproben. „Ich wollte verstehen, wie Gemeinschaften funktionieren, wie Vorgelebtes in der Familie übernommen und von der nächsten Generation gelebt wird“, formuliert sie im Katalog ihr Ziel. Auch in der Technik schätzt Aicher die Tradition: Sie fotografiert analog auf Film mit ihrer Mamiya-Mittelformatkamera.
„Die Bilder sprechen ohne Umwege zu uns, weil sie die Kommunikation durch Körperhaltung nutzen“, schreibt Kurt Kaindl, Fotograf, Kurator und Herausgeber der „Edition Fotohof“ in seinem Katalogbeitrag. Aicher arbeitet so lange und vertrauensvoll mit den von ihr fotografierten Menschen, dass man den Eindruck hat, diese nehmen ihre Anwesenheit überhaupt nicht mehr wahr. In der Selbstvergessenheit der Porträtierten und ihrer Gesten wirken die Motive umso authentischer, kraftvoller und wie aus dem Augenblick heraus festgehalten. Im Projekt „Beatschuppen“ begibt sich Anna Aicher autobiografisch auf Spurensuche. Sie stellt das nächtlich-improvisierte Leben, die Kraftmeierei und die aufregende „Hütten-Kultur“ in abgelegenen Refugien der Jugend auf dem Land vor. „Oft ohne konkretes Ziel fahre ich durch Wälder und Landschaften, spreche mit Jugendlichen, folge Mopeds, die in eine bestimmte Richtung fahren, suche Anzeichen wie Musik und aufsteigenden Rauch“, beschreibt Aicher ihr Vorgehen. Wir lernen Daniel, Sebbo, „Sylvester &, Thomas“ oder „Superman“ in ihrem Element kennen, sind beim Stammtisch dabei und werden beim „Kuss“ Zeuge des Liebeswerbens.
Serie
von Porträts
In der Serie „Insel“ spürt die junge Fotografin in den Porträts von Marie, Helene oder ihrem Onkel Hans an Orten der eigenen Kindheit in Flussauen und auf Feldern eigenen Traditionslinien in einer generationenübergreifenden Müllerfamilie nach.