Bad Aibling – Die Keramikerin Siglinde Schelkle hat im Rakubrand die Technik gefunden, in der sie ihre künstlerischen Vorstellungen am besten zum Ausdruck bringen kann. Der Rakubrand wurde im 16. Jahrhundert in Japan erfunden und ausschließlich für die Fertigung von Teegeschirr verwendet. Nach Europa gelangte diese Technik im 19. Jahrhundert – hier jedoch gestaltet man unterschiedlichste Produkte mit ihr.
Bangen um
das Endprodukt
Rakukeramik wird bei sehr heißen Temperaturen gebrannt und nach der erforderlichen Zeit mit langen Zangen aus dem Ofen geholt. Zum langsamen Abkühlen legt man das Werkstück in ein Gefäß mit Deckel, das entweder mit Stroh oder Erde ausgestattet ist. Die komplizierten Vorgänge und das Bangen, in welchem Zustand sich das Endprodukt zeigen wird, machen diese Arbeit spannend und immer wieder neu.
Siglinde Schelkle stellt Figürliches dar. Mehr als einmal steht man menschlichen Gesichtern – in Rakutechnik geformt – gegenüber. Zwar sind die Gesichter real, aber sie sind mit ungewöhnlichen Elementen versehen. Immer wieder tauchen echte Tierhörner auf, die mit den keramischen Köpfen verbunden sind: Fabelwesen, die den Betrachter in eine Fantasiewelt versetzen. Und die Künstlerin betont, dass diese Mensch-Tierköpfe nichts Unheimliches an sich haben. Sie sieht in ihnen Beschützer und kraftvolle Kreaturen, die Positives ausstrahlen. Da gibt es zum Beispiel „Aries“ – die lateinische Bezeichnung für Widder – ein ebenmäßiges menschliches Gesicht aus Ton, dem sich rechts und links zwei integrierte Widderhörner anschmiegen. Der Naturgott Pan wurde aus Keramik und Antilopenhörnern gefertigt. „Schönheit und Vergänglichkeit“ nennt sich eine Arbeit, bei der auf einem Keramikkopf ein Dachsschädel integriert ist – eine leise Mahnung, dass nichts auf ewig bleibt.
Siglinde Schelkle macht die Verbindung verschiedener Materialien zum Prinzip all ihrer Arbeiten. Nicht nur die erwähnten Tierhörner, auch Schwemmholz, ein Messinggerät oder alte Zahnräder bilden Bestandteile ihrer keramischen Werke. Der Kopf eines Geschichtenerzählers mit nach innen gewendeten Augen ruht auf einem Stapel welliger, beschrifteter Porzellanblätter, und ein Keramikfisch mit hochgerecktem Kopf ist auf einer antiken Messingrolle aus früherer Schokoladenfertigung installiert.
Perfektion wird
humorvoll gebrochen
Vasen im Rakubrand gehören zu den Exponaten, und besonders auffallend ist eine Art Schale – eine Hohlmontage – deren breiter dunkler Rand eine keramische „Bemalung“ trägt, die spiralenförmig auf eine Vertiefung zuläuft. Ein perfektes Werk! Aber es scheint, als ob die Künstlerin diese Perfektion humorvoll brechen möchte: Sie nennt die Arbeit „Zielflagge“ und stellt ein winziges Rennauto auf die Spur.