Liebe zur Musik und zu den Menschen

von Redaktion

Interview Giuliano Carella über das Dirigieren, Opern und die Arbeit in Erl

Erl – Ruhig, aber bestimmt leitet Giuliano Carella in einem Mix aus Italienisch und Englisch die Orchesterprobe auf der Bühne des Festspielhauses Erl und sprech-singt die Arien mit. Auf den Pulten liegen die Noten zu „Francesca da Rimini“, einer selten aufgeführten Oper von Saverio Mercadante (1795 bis 1870): Francesco, Frau von Lanciotto von Rimini, liebt dessen Bruder Paolo, was für das Liebespaar tödlich endet. Ein gotisches Fenster deutet die Zeit des Geschehens dieser Oper an. Carella möchte das Quirlig-Leichte der Musik betonen: „Leggiero, leggiero, leggierissimo!“ ruft er den Musikern zu. Im Interview erzählt er in ausgezeichnetem Deutsch, wie viele Opern von Mercadante er schon dirigiert hat und warum ein Dirigent wie ein Prisma ist.

Herr Carella, die Oper „Francesca da Rimini“ und überhaupt Saverio Mercadante kommen in Opernlexika schlecht weg. Was ist trotzdem wertvoll an dieser Oper?

Mercadante hat wunderschöne Opern komponiert. Er bleibt in der Struktur der italienischen Oper: Rezitative, Arien, Cabaletta – Mercadante ist der „Maestro della Cabaletta“ (Janka: Cabaletta ist der meist schnellere Schlusssatz einer Arie), ein Profi mit schönen Melodien und einer interessanten Dramaturgie.

Saverio Mercadante hat rund 60 Opern komponiert. Kennen Sie alle?

Ich habe schon drei Opern von ihm dirigiert: „Il Bravo“, „Caretea, Regina di Spagna“ und „Il Giuramento“. Mercadante hat eine interessante Entwicklung gemacht: Der reine „Belcanto“ wird zum „canto dramatico“.

„Ohne Mercadantes Reformopern ist das Frühwerk von Verdi nicht zu verstehen.“ Stimmen Sie dieser Einschätzung zu?

Damit bin ich komplett einverstanden. Mercadante ist wichtig für die Entwicklung der Oper.

Was ist das Besondere an der Erler Inszenierung?

Der Regisseur Hans Walter Richter macht eine wunderschöne Arbeit, modern, aber sehr respektvoll der Musik gegenüber und erzählt sehr spannend die Geschichte.

Sie dirigieren auch „Don Pasquale“ von Donizetti als Einspringer. War das schwierig für Sie?

Ich bin traurig für meinen erkrankten Kollegen Francesco Lanziletta. Ich habe „Don Pasquale“ schon sehr oft komponiert. „Don Pasquale“ ist der Höhepunkt der Opern von Donizetti, also freue ich mich darauf. Die zwei Opern zusammen zu machen ist eine besondere Sache. Es ist schwer, aber es ist schön.

Sie sind Chef des Kammerorchesters „I Solisti Veneti“. Ist die Liebe zur Oper und zur symphonischen Musik bei Ihnen gleichwertig?

Es ist wichtig für einen Operndirigenten, symphonische Musik zu dirigieren und für einen symphonischen Dirigenten, auch Opern zu machen. Ich habe vor Kurzem „Verklärte Nacht“ von Arnold Schönberg dirigiert: Das ist auch eine Oper! Und „Don Pasquale“ ist auch eine symphonische Dichtung.

Sie dirigieren ja an allen Opernhäusern weltweit: Wie bewerten Sie die Arbeit und die Atmosphäre hier in Erl?

Hier in Erl ist die Arbeitssituation geradezu exemplarisch. Hier ist ein natürlicher Wille da, gute Kunst zu machen: Das ist wunderschön.

Sie stehen ja immer wieder vor Ihnen noch nicht bekannten Orchestern: Wie schaffen Sie es, das jeweilige Orchester auf sich einzustellen?

Wir haben immer das gleiche Ziel: schöne Musik. Die Arbeit eines Dirigenten ist: Kommunikation, Liebe zur Musik und Liebe zu den Menschen. Ein Dirigent funktioniert wie ein Prisma: Ein Prisma kriegt ein Licht und macht alle Farben. Ein Dirigent bekommt viele Farben und muss ein einziges Licht machen.

Interview: Rainer W. Janka

Giuliano Carella

Drei Aufführungen

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