Rosenheim – Mit Peitschenknallen und Schellengerassel, kreischenden Stimmen und schaurigen Masken stürmen wilde Perchten durch die Publikumsreihen auf die Bühne im Rosenheimer Kuko. Sie verfolgen den kleinen Troll „Zauber“ (Mesi Sedlmeir), der aus dem hohen Norden als „genderneutraler“ Tourist die rauen Nächte im Süden miterlebt. Was es mit den Rauhnächten auf sich hat, wie Wotans Horden die Menschen schrecken, was Losnächte mit künftigen Ehemännern zu tun haben, und wieso „die Madln den Teifi im Leib haben“, das erfuhr nicht nur der liebenswerte, vorwitzige, etwas ängstliche Troll, sondern auch die Besucher in von Hoizmandl Ferdinand Dörfler brillant vorgetragenen Geschichten, Sagen und Legenden rund um die Zeit der Wintersonnwende.
Er versteht es mit Stimme, Mimik und Gestik ebenso hervorragend Stimmung zu zaubern wie Sedlmair. Mit ekstatischen Tänzen fegt zudem Hexe und Luz (Camila Mas) über die Bühne, sie lässt die Fetzen fliegen und die Hüllen fallen. Hinter und über allem steht die Band Schariwari, mit
poetisch-mystischer Musik, einfühlsamen, bewegenden Texten, urigen Instrumentaleinlagen untermalt mit effektvollen Lichtspielen und akustischen Donnerschlägen. Besonders beeindruckend Wotans wuide Horden, die scheinbar leibhaftig über die Köpfe der Besucher hinwegjagen. Bühnennebel bis hinein in den Saal tut ein Übriges, um die schauerliche Stimmung anzuheizen. Spannung und Gänsehaut pur von Anfang an, gepaart mit amüsantem Geplänkel zwischen Zaubertroll und Holzmandl – das bot das Mystical „Bayerische Rauhnacht“ der Kirchseeoner Folk-Rock-Band Schariwari mit der Neufassung des Mysticals unter Regie von Matthias von Stegmann. Band und Erzähler verzauberten ihr Publikum im nahezu ausverkauften KuKo in Rosenheim und durften erst nach Zugabe die Bühne verlassen.
Ein Appell des Ensembles an die Zuschauer: „Jenseits des Verstands existiert eine Welt, in der eure Träume schlummern. Weckt sie auf – öffnet die Schatzkammer eurer Fantasie“. claudia sieberath