Seeon – Wer kennt nicht Karl Valentin? Dass der Komiker, Volkssänger, Autor und Filmproduzent auch Fotograf und Sammler war, wissen wohl nur die allerwenigsten, und dass er Münchner Originalen seiner Zeit ein Denkmal setzte, sicher noch viel weniger. Sei’s drum, man kann jetzt einigen der Münchner Originale in der Ausstellung „Münchner Originale. Fotografien aus der Sammlung Karl Valentin“ begegnen.
„Was wäre München ohne seine Originale? Seit kurbayerischer Zeit haben sie hier im öffentlichen Leben eine nachhaltige Rolle gespielt: diese Sonderlinge, Hofnarren, Gaudiburschen, Volkssänger, Leuttratzer, Ratschkatteln, Revoluzzer, Spötter und Spinner.“
Kooperation
mit Stadtarchiv
Im Buch „Münchner Originale“ setzt sich der Journalist Karl Stankiewitz mit den Münchner Originalen auseinander. Und genau diese Typen, die Stankiewitz schon in seiner Einleitung so trefflich darstellt, sind in der Ausstellung zu bewundern. Auf 17 Schautafeln präsentieren sich Münchner Originale. Dank der Kooperation des Münchner Stadtarchivs (dort fanden sich vor einigen Jahren per Zufall die verschollen geglaubten Glasdiapositive von Karl Valentin), dem Valentin-Karlstadt-Musäum, dem Allitera Verlag und der Heimatpflege des Bezirks Oberbayern München entstand eine Ausstellung, die eine Welt vergegenwärtigt, die längst verschwunden ist, ein Mikrokosmos, in dem die Spitzen der Gesellschaft ebenso zu sehen sind wie die Gestrandeten und Verkommenen. Da gibt es beispielsweise den 1745 in München geborenen Georg Pranger. Er wirkte als angesehener Kammermusiker im Hoforchester, war aber auch Hofnarr, letzter seiner Art in Bayern. Seine derben Scherze machten ihn auch bei den Bürgern populär, und seinem Amt entsprechend schreckte der „Prangerl“, wie ihn die Münchner nannten, auch nicht davor zurück, König Max I. Joseph oder dessen Gemahlin Karoline zum Narren zu halten.
Dem gebürtigen Nürnberger Georg Lang ist der Wiesn-Hit „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ zu verdanken, das Weltoriginal Max Duffek verzauberte und verschreckte mit atemberaubender Gesichtsakrobatik, der Regimentsmusikus Jakob Peuppus reüssierte nicht nur in München, sondern exportierte bayerische Musik auch in die USA, der Kohlrabi-Apostel Karl Wilhelm Diefenbach predigte den Vegetarismus, die Kellnerin Hedwig Forster schleppte in über 70 Dienstjahren im alten Hofbräuhaus 1,3 Millionen Mass Bier und das Schlüsselfräulein Thekla Foag vertrieb nicht nur Schlüssel, sondern würzte die Verkaufszeit mit Wissenswertem, wie beispielsweise dass ihr Vater einst wegen dem „Flitscherl“ Lola Montez auf die Barrikaden gegangen war. Allein die Biografien sind es wert, aufmerksam gelesen zu werden. Die Bilder Valentins setzen dem guten, alten München aber noch einmal einen besonderen Stempel auf. Valentin sammelte Fotografien, Zeichnungen, Dias, Plakate, Zeitungsausschnitte und Ansichtskarten und bearbeitete diese. Er fokussierte sich auf den Menschen, schnitt das Unwesentliche, die Häuser, die Straßen, die Plätze heraus, kolorierte auch so manches Mal nach. Valentin war es ein Anliegen, diese verlorene und bedrohte Alltagskultur für die Nachwelt zu bewahren.
Ihm lagen vor allem die Menschen am Herzen: Den abgebildeten Zeitgenossen hat Valentin begeistert nachgespürt und in Wirtshäusern Lichtbildvorträge über sie gehalten.
Und deshalb stehen heute neben den Abbildungen auch die Lebenswege dieser „Münchner Originale“ im Mittelpunkt. Bei der Vernissage würdigten denn auch Bezirkstagspräsident Josef Mederer und Dietlind Pedarnig vom Allitera Verlag die Sammelleidenschaft Karl Valentins.
Mesnerhaus
unter Denkmalschutz
Die dazu passende Musik von „De Gspiarign“ spürte ebenso dem Geist des alten München nach. Aber auch ohne Musikuntermalung lohnt sich ein Abstecher nach Kloster Seeon, ist die Ausstellung zur Eröffnung des denkmalgeschützten und frisch sanierten Mesnerhauses des Klosters Seeon doch eine liebevolle Hommage an Karl Valentins Sichtweise auf eine Welt von gestern.
Ausstellung im Mesnerhaus bei Kloster Seeon bis zum 4. Juni 2023, Januar bis März ist Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Ab April täglich von 10 bis 17 Uhr, der Eintritt ist frei! Mehr Informationen unter www.kloster-seeon.de. elisabeth kirchner