Der Dichter des schlechten Geschmacks

von Redaktion

Vortrag über den Schriftsteller August von Kotzebue bei der Goethe-Gesellschaft Rosenheim

Rosenheim – Zur Goethezeit galt er als der meistgelesene Schriftsteller, ist aber heute fast vergessen: August von Kotzebue.

Der Germanist Dr. Bertold Heizmann hat auf Einladung der Goethe-Gesellschaft Rosenheim in seinem Vortrag „Im Schatten Goethes: August von Kotzebue“ das Leben und Werk des 1819 ermordeten Autors näher beleuchtet. Heizmann, der Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Essen ist, sprach vor zahlreichen Zuhörern im Künstlerhof am Ludwigsplatz.

Dass die Ermordung Kotzebues durch den Studenten Sand die restriktiven Karlsbader Beschlüsse ausgelöst hat, ist bekannt. Sein Werk aber kennen heute allenfalls nur noch Germanisten. Selbst der Historiker Golo Mann hat in seiner „Deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ den Namen Kotzebue gar nicht erwähnt, sondern ihn lediglich als einen Lustspieldichter bezeichnet, der aus den Berichten an den russischen Zaren ein Taschengeld gewonnen habe.

Geboren 1761 in Weimar, entstammte Kotzebue einer angesehenen Kaufmannsfamilie. 1776 stand der junge Kotzebue als Schauspieler gemeinsam mit Goethe in dessen Stück „Geschwister“ in der unbedeutenden Rolle des Briefträgers auf der Bühne, in dem er den Text „Einen beschwerten Brief, 20 Dukaten, franko halb“ aufsagen musste, darauf aber mächtig stolz war und es überall herumerzählte. Der Jurist schrieb Theaterstücke, die er seinem Idol Goethe zusendete, allerdings ohne Reaktion. „Kotzebue“, so Heizmann, „hat sich an Goethe abgearbeitet.“

„Kotzebue hatte einen Hang zum Spott und zur Satire“, erklärte der Germanist. Da er auch den Weimarer Hof durch den Kakao gezogen habe, sei er vom Herzog Carl August des Landes verwiesen worden. Durch Beziehungen landete Kotzebue am russischen Hof, wo er Theaterdirektor in St. Petersburg und in den erblichen Adelsstand erhoben wurde. In rascher Folge schrieb er über 200 Stücke, von denen „Menschenhass und Reue“, ein sentimentales Rührstück, größte Bekanntheit erreichte. Unter Goethes Intendanz wurden später in Weimar 638-mal Stücke von Kotzebue aufgeführt.

Unbeliebt machte sich Kotzebue mit einer Schmähschrift, die er dem Freiherrn von Knigge zuschrieb. Als Goethe ein sogenanntes Mittwochskränzchen veranstaltete, wurde der eitle Autor zu diesem „Cour d‘amour“ nicht eingeladen. Prompt rief er aus Rache ein Donnerstagskränzchen ins Leben, zu dem viele Damen, die vorher bei Goethe waren, übergelaufen seien.

Mit Häme habe Kotzebue den Reinfall von abgehobenen, komplizierten Theaterstücken der Klassiker genossen, was Goethe naturgemäß missfiel. Erneut fiel er in Weimar in Ungnade, reiste nach Russland, wurde als vermeintlicher Spion nach Sibirien verbannt, bald jedoch begnadigt und erhielt vom Zaren sogar ein Gut mit 600 Leibeigenen geschenkt. Zurück in Weimar, schrieb er eine Satire auf die deutsche Titelsucht, die ihn bei Hofe erneut unbeliebt machte. Goethe habe Kotzebue literarisch vernichtend kritisiert, so Heizmann. Auf dem Wartburgfest wurden sogar seine Werke verbrannt, weil er sich zum reaktionären Autor gewandelt hatte und für viele ein Hassobjekt war. Nachdem seine Familie in Weimar gemobbt wurde, zog Kotzebue nach Mannheim, wo ihn 1819 der Student Sand erdolchte.

Kotzebue hat auch zahlreiche Gedichte geschrieben, die man, so Heizmann, aber mit Fug und Recht vergessen könne. Gleichsam als Resümee seines Vortrags zitierte der Germanist ein Nietzsche-Wort über den Dichter Kotzebue: „Selig sind die, welche Geschmack haben, wenn er auch ein schlechter Geschmack ist.“

Georg Füchtner

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