Rosenheim – So nach und nach werden immer noch Konzerte nachgeholt, die schon vor Corona angebahnt worden waren, dann aber verschoben werden mussten. So gesellte sich notgedrungen auch das Duo aus dem Aiblinger Pianisten Chris Gall und dem Salzburger Perkussionisten in diese Zwangs-Warteschleife, doch jetzt endlich konnten sie ihr Gastspiel in der Rosenheimer Stadtbibliothek zelebrieren.
Und wie sie es taten! Voller Spielfreude und mit launiger Moderation bannten die beiden Musiker mit ihrer unkonventionellen Instrumentierung die zahlreich erschienenen Gäste und entführten mit teils längeren Stücken in eine Klangkombination aus Melodie und Rhythmik. Als Orientierung diente ihr Album „Myriad“, aus dem Label GLM Records und mit Unterstützung von BR-Klassik produziert.
Passend zum frühlingshaften Licht stieg Schimpelsberger mit lautmalerischen Vogel-Imitationen ein und demonstrierte seine Fähigkeiten, mit der linken Hand flach schlagend, mit der Rechten den Besen bedienend. Gall begleitete, nach und nach entwickelte sich ein starker, mitreißender Groove – tolles Titelstück!
Das quirlige „Wheel“ beinhaltete gesteigerten Trommelsound und viel Vokalakrobatik des offenbar nicht auf den Mund gefallenen Österreichers, gefolgt von „Segeriyua“, das durch die Flamencospielart „Seguiriya“ inspiriert wurde, mit einem komplexem Rhythmus, der sich in Richtung Dancefloor und Tanzbarkeit steigerte – das Publikum wippte mit. In diesen Passagen gibt es eine gewisse Ähnlichkeit zum Techno des „Leo-Betzl-Trios“, wenn auch ohne Kontrabass und durch viele klangliche Gimmicks etwas verspielter als bei „LBT“.
Ganz stark, träumerisch und meditativ geriet die nachbearbeitete John Cage- Komposition „In a Landscape“. Danach spielte das blendend aufgelegte Duo den „Song of June“, in einem feierlichen, hymnischen Grundton, rhythmisiert auf der „Ola“, einer in geschwungener Form hergestellten Cajón. Mit einem Pianointro leitete Chris Gall mit steigerndem Duktus über zu einer Solonummer Schimpelsbergers, der mit seiner akzentuiert eingesetzten Fußtrommel bereits mächtig Rhythmus erzeugte und ein originelles Perkussionsgewitter auf die Hörer einprasseln ließ.
Ein starkes Stück jagte das andere – das furiose, phänomenale „Poem on a typewriter“ geriet zu einer klanglichen Hommage an die wunderbare alte Schreibmaschine, mit Tanzbeats und einem „Pling“ am Ende der getippten Zeile. Zu den Auftritten Chris Galls gehört freilich auch sein Mega-Stück „Yorkes Guitar“, gespielt beispielsweise beim „Eiszeit“-Konzert mit Quadro Nuevo oder im bezaubernden Duo mit Mulo Francel in der Rosenheimer Apostelkirche. Keine Version geriet aber so druckvoll wie die im Duo mit dem dynamisch auftrumpfenden Schimpelsberger am Schlagwerk – „wir lassen uns nicht unterkriegen“, schienen die Musiker auf widerständische Weise ausdrücken zu wollen. Da war das Konzert bereits im Zugabenmodus, und mit den reizvollen „Inner perspectives“ ging es in das stark umjubelte Ende eines tollen Konzerts. Andreas Friedrich