„Es bleibt immer ein Rest an Rätseln“

von Redaktion

Interview Der preisgekrönte Autor Bernhard Jaumann aus Bad Aibling über seine Krimis

Bad Aibling – 14 Bücher hat Bernhard Jaumann (65) aus Bad Aibling geschrieben, viele davon Kriminalromane. Das 15. Buch mit dem Titel „Banksy und der blinde Fleck“ erscheint am Donnerstag, 9. März (Besprechung folgt). Zweimal hat er den renommierten Friedrich-Glauser-Preis erhalten, zweimal den Deutschen Krimipreis. Eigentlich ist Jaumann – mittlerweile pensioniert – Gymnasiallehrer für Deutsch, Geschichte, Sozialkunde und Italienisch, der am Gymnasium Bad Aibling unterrichtet hat. Aber geschrieben hat er schon als Schüler in Augsburg. Er hat auch in Australien, Mexiko und Namibia gelebt, wo seine Frau Barbara unterrichtete. Warum er mit Krimis begonnen hat, warum er zeitweise in Italien lebt und wie er seine Bücher schreibt, hat er uns von den OVB-Heimatzeitungen erzählt.

Herr Jaumann, wann haben Sie zu schreiben begonnen?

Bei unserem ersten Auslandsaufenthalt in Australien. Ich hatte ein Jahr Zeit, da hab‘ ich die Chance genutzt, das zu machen, was ich eigentlich immer schon machen wollte.

Warum wurde das erste Buch ein Krimi?

Erstens hab‘ ich immer schon gern Krimis gelesen. Zweitens hab‘ ich mich an der Universität mit Kriminalliteratur beschäftigt und meine Zulassungsarbeit über „Elemente des Kriminalromans in experimenteller Literatur“ geschrieben. Drittens kann man sich an einem Schema entlanghangeln, muss das Schema aber nicht immer erfüllen, sondern überraschend ausgestalten.

War es Zufall, dass es gleich eine Reihe gibt, oder geplant?

Ich fand Sydney eine ungeheuer visuell geprägte Stadt. Meine Idee war, über diesen Sehsinn einen Krimi zu machen. Da hat es sich natürlich angeboten, auch die anderen Sinne zu behandeln. Ich hatte darauf schnell die Idee, in fünf Metropolen der Welt die fünf Sinne kriminalistisch aufzuarbeiten.

Haben Sie es geschafft, alle fünf ausgewählten Metropolen zu besuchen?

Ja – das nächste war Wien, da hatte ich mich für sechs Wochen in ein Studentenwohnheim eingemietet und die Recherchen gemacht für den „Hörsturz“.

Dass man dort den Hörsinn abhandelt, liegt ja nahe.

Richtig – dann sind wir nach Mexiko gegangen, wo meine Frau wieder an der Deutschen Schule tätig war. Dort haben wir vier Jahre gelebt, da habe ich den „Handstreich“ geschrieben. Von dort aus habe ich recherchiert, wo ich den Geruchssinn beschreiben könnte und bin zufällig auf Tokio gekommen. Und da hatte ich gelesen, dass sie in Tokio ihre Pizza-Kartons schon mit künstlichem Aroma bestäuben, damit die frisch riechen, wenn sie ausgeliefert werden. Da bin ich also nach Tokio und lebte dort fünf Wochen bei einem Kollegen der Deutschen Schule, um für „Duftfallen“ zu recherchieren.

Dann fehlt noch ein Sinn.

Dann bin ich nach Rom, wozu ich eh eine Affinität hatte: Wir haben ja ein Haus in Italien, und ich bin von dort aus nach Rom gefahren für „Saltimbocca“, den Roman über den Geschmackssinn.

Dieser Roman wurde als erster mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. In der Begründung hieß es: „Hier stimmen die Zutaten zu jedem Gang: sprachliche Gaumenkitzel, spannende Komposition, witzige Darreichung – und das ganze abgeschmeckt mit dem richtigen Schuss

Ironie.“

Dieser Preis half mir schon, weiterzuschreiben. Ich sah das kleine Dorf Montesecco, in dem wir unser Haus hatten, und wollte diese kleine Welt abzeichnen im Wandel der Zeit. Daraus sind drei Bücher geworden, die zeigen, wie die Moderne über ein so kleines Dorf hereinbricht.

…wofür Sie den Deutschen Krimipreis bekommen haben. Dann kamen die drei Namibia-Romane.

Das sind eher politisch orientierte Krimis. Wir waren in Namibia, weil wieder meine Frau dort unterrichtet hat. Ich lasse mich von dem jeweiligen Ort bei der Themenwahl beeinflussen.

Gehen Sie mit „Tatort-Augen“ durch die

Gegend?

Wenn ich in der Planungsphase bin, ja. In Namibia gibt es eine Anton-Lubowski-Straße. Ich habe herausgefunden, dass er als deutschstämmiger Weißer in die SWAPO (die marxistische Befreiungsbewegung – Rainer W. Janka) eingetreten war und in dieser Straße im letzten Jahr vor der Unabhängigkeit Namibias ermordet worden ist. Dieser unaufgeklärte Mord hat mich sofort angesprochen.

Darüber ging das erste Buch.

Könnte man sagen, dass die erste Inspiration von einem Ort ausgeht?

In sehr vielen Fällen ja. Es muss dann ein Thema oder ein Ereignis dazukommen. Nicht mehr gültig ist das bei den letzten drei Büchern. Die gehen – als Kunstkrimis – von Bildern aus.

Da mussten Sie sich ja richtig reinfuchsen in kunsthistorische Fragestellungen und Bedingungen des Kunstmarkts.

Ich studiere dazu drei bis vier Monate vor dem eigentlichen Schreiben und versuche, da schon nebenbei einen Plot zu entwickeln, der immer wieder überarbeitet wird. Beim „Turm der blauen Pferde“ ist der Krimi ja schon angelegt gewesen, weil das Bild von Franz Marc im oder nach dem Zweiten Weltkrieg verschwunden ist.

Die Verwirrung in diesem Krimi am Ende ist ja komplett.

Meine Geschichten sind immer so, dass es eigentlich nicht zu einer 100-prozentigen Lösung kommt. Wenn sich das Problem wirklich auflösen lassen würde, wär’s nicht interessant, dann gäb’s am Schluss nur eine rosarote Wolke.

Deswegen bleibt immer ein Rest an Rätseln übrig.

Interview: RAINER W. JANKA

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