von Redaktion

Masterclass der Schauspielschule Zerboni mit energiegeladener Inszenierung zu Gast

Wasserburg – „Amsterdam“ heißt das mit dem Stückemarktpreis des Berliner Theatertreffens ausgezeichnete Stück (2018) der jüdischen Autorin Maya Arad Yasur, und man kann der Schauspielschule Zerboni in München und dem Theater Wasserburg nur danken, dass diese hochkomplexe künstlerische Art der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus ausgerechnet die diesjährige Abschlussklasse am Theater Wasserburg aufführen konnte. Regie führte Ulf Goerke, freier Regisseur und Dozent für Schauspiel und Regie.

Beschwingte
Darstellung

Vielleicht ein wenig nervös, mit Sicherheit aber voller Leidenschaft brachten die zwölf Schauspielschüler ein großartiges Stück mit ebenso großartiger, energiegeladener Spielfreude auf die Bühne. Es mag der Jugendhaftigkeit der Darstellenden geschuldet sein, dass die gesamte Inszenierung eine geradezu beschwingt-schwebende Leichtigkeit hat. Es mag die große Dynamik sein, angereichert mit Gesang und exaltiertem Tanz, die für Kurzweiligkeit sorgt.

Es kann auch ganz schlicht die Art der Bearbeitung eines Themas sein, das schon schwere Kost ist, und von dem gleichzeitig eine schwer greifbare Faszination ausgeht: Zu absurd erscheint die Geschichte einer offenen Gasrechnung aus dem Jahr 1944 in Amsterdam, als dass hier klassische Betroffenheit aufkommen könnte. Und es kann nur Absicht sein, dass die Handlung überhaupt in ihrer Stimmigkeit offen bleibt: Eine junge, schwangere Israelin, Bewohnerin einer Mietwohnung, begibt sich auf die Suche zunächst nach einem Übersetzer dieser seltsamen Briefpost, bis sich das Rätsel löst – vermutlich.

Wenngleich das Geschehen fragend, nach Worten suchend, konstruiert wird, rückt es auch immer wieder in den Hintergrund. Entstehen doch in Assoziationsketten zahlreiche Bezüge zwischen einer vom Erbe der deutschen Geschichte besetzten Gegenwart und einem vom NS-Grauen durchdrungenen Erleben in Amsterdam 1944. Auch kann man sich in all den Projektionen, Innenansichten und Kopfkinos ganz gut selbst wieder finden, wenn es um Themen wie Migration, Antisemitismus oder politischen Extremismus geht, an der Supermarktkasse oder beim Frauenarzt. Und dann ertappt man sich doch, sein eigenes Entsetzen plötzlich zu spüren.

Fließende
Rollenwechsel

Bei all dem Ineinanderschieben von Zeit und Handlung kann man dem Geschehen auf der Bühne wunderbar folgen – obwohl die Rollen zwischen Erzählenden und Darstellenden auf zwölf Köpfe verteilt sind, und dann auch noch untereinander fließend wechseln. Amsterdam. Wer denkt da nicht an Anne Frank? Wer denkt bei einer offenen Gasrechnung aus dem Jahr 1944 nicht an Auschwitz? Sicherlich fallen diese Begriffe auch im Text, doch im Raum steht ihre Bedeutung schon viel früher. Empfindungen werden in dieser Inszenierung ganz anders geweckt, unerwartet und heftig, und dazwischen wird das Unaussprechliche spürbar.

„Amsterdam“ am Theater Wasserburg

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