Rosenheim – Die Stummfilme in der Frühzeit des Kinos wurden oft mit kleiner Instrumentenbesetzung musikalisch begleitet, dann auch mit einer großen Kinoorgel. Das wieder aufleben zu lassen, aber mit einem Film über das Leben und Sterben Jesu, wollte Herbert Weß, der Kirchenmusiker in St. Hedwig.
Dazu lud er den hochrenommierten und international konzertierenden Organisten Paolo Oreni ein – und der kam auch und agierte als Kino-Orgelspieler. Vor dem Altar war die Leinwand aufgestellt, zwischen den großformatigen Passionsbildern von Andreas Legath und vor dem übergroßen Kruzifix von Josef Hamberger, dem Legath einen lang herabhängenden blutroten Mantel verpasst hatte. Auf dieser Leinwand rollte nun in dem leicht kolorierten französischen Stummfilm von 1903, der von den Regisseuren Ferdinand Zecca und Lucien Nonguet stammt, Szene für Szene das Leben Jesu ab, von der Verkündigung bis zur Auferstehung. Die Szenen erinnerten oft an bayerische Passionsdarstellungen oder berühmte Kunstwerke. Paolo Oreni improvisierte von der Orgelempore aus dazu: Leicht sphärische Klänge umrahmten die Verkündigung, „Zu Bethlehem geboren“ klang an bei der Geburt, der Stern glitzerte klangfarbig, wenn die Soldaten die unschuldigen Kindlein töten, wütet das Pedal.
Bei der Hochzeit von Kana jauchzt die Orgel auf und wird innig flehend, wenn Maria Magdalena Jesus die Füße wäscht. Beim Einzug Jesu in Jerusalem wedelt die Musik wie die Palmwedel, in den Todesmarsch Jesu nach Golgotha verwebt Oreni schon das Auferstehungslied „Christ ist erstanden“, am Ende fährt Jesus im Strahlenglorie und Wolkenkranz in den Himmel, von der Orgel in Dur strahlend verklärt.
Diese knappe Stunde voller Bibelbilder und begleitender Orgelmusik war eine spirituell erfüllende Stunde in der Passionszeit. RAINER W. JANKA