Rosenheim – Mitten im Ersten Weltkrieg hat der Dichter Rainer Maria Rilke 18 Tage auf der Herreninsel verbracht. Der langjährige Kulturkritiker des Oberbayerischen Volksblatts, Rainer W. Janka, hat nach intensiven Recherchen die Briefpartner ausfindig gemacht, mit denen Rilke in dieser Zeit korrespondiert hat. Auf Einladung der Goethe-Gesellschaft Rosenheim stellte Janka im Künstlerhof am Ludwigsplatz die unterschiedlichen Briefpartner des Dichters vor. Die Brieftexte las Regisseurin Cornelia Maschner.
Nur Dienst
im Kriegsarchiv
Rilke hat Glück, dass er mithilfe von Beziehungen lediglich im Kriegsarchiv Dienst leisten muss. Nach einem halben Jahr wird der sensible Dichter sogar von diesen Pflichten befreit.
Seine Frau Clara und Tochter Ruth wollen mit ihm die Fraueninsel besuchen, aber Rilke kehrt wegen des Gedränges an der Bahn um. Nachdem er mit Frau und Tochter doch noch die Fraueninsel besucht hat, beschließt er, für 18 Tage im Schlosshotel auf der Herreninsel zu logieren. Von der Herreninsel pflegt Rilke eine erstaunlich umfangreiche Korrespondenz. Er schreibt Mäzeninnen, Adeligen, Künstlern und sogar der Frau des Kommunistenführers Karl Liebknecht. Feinfühlig geht der Dichter auf seine Briefpartner ein, nutzt die Korrespondenz aber auch zur Selbstreflexion. Mit leiser Ironie und Sinn für skurrile Details stellte Janka die einzelnen Briefpartner vor. Seinen ersten Inselbrief schreibt Rilke an die reiche Mäzenin Hertha Koenig, die Gast auf Schloss Neubeuern war und ein Buch über Rilkes Mutter verfasst hat. Die „Stille und die Einsamkeit dieser Garteninsel“ sollen, so hofft der Dichter, den „unerträglich langwierigen Zustand meines Gemüths“ mildern.
An Gräfin Aline aus dem Fürstengeschlecht derer von Dietrichstein zu Nikolsburg schreibt Rilke den Brief mit seiner berühmten Schilderung der Herren- und Fraueninsel. Die Augustinerabtei sei eingerichtet wie ein hängender Garten. Unter die Platanen trete man wie in einen lichten Saal, und Rilke fährt fort: „…so haben Sie die Terrasse, von derem äußersten Wege aus, über ein unter ihr gelegenes Wiesenland hin, man den See überschaut, und in ihm die beiden Eilande: Wirklich so medaillenhaft wehmütig enthalten sie sich selbst diese beiden Inselovale.“
Als Immobilienfachmann und Tourismuswerber, so Janka nicht ohne Ironie, zeigt sich Rilke in einem Brief an einen Rechtsanwalt, der einen Turm der Burg von Burghausen kaufen will. An Sophie Liebknecht, die Frau von Karl Liebknecht, die ihn auf der Insel besucht und mit der er vermutlich eine Affäre hat, schreibt er später von München vieldeutig: „Auf der Herreninsel waren „unsere“ Tage die eigentlichen, alles andere nur ein Nachtrag…“
Pflichtgemäß schreibt Rilke an seine Mutter, einer nervösen, schlanken und stets schwarz gekleideten Frau, zu der er ein schwieriges Verhältnis hatte. In seinem Brief schwärmt der Dichter von der Herreninsel. Stille und Verpflegung wären nicht besser zu wünschen. Auch seien die Wälder ausgedehnt genug, um sich jeder Berührung mit Passanten zu entziehen.
Auch Lou Andreas-Salomé, für Rilke laut einem Biografen Geliebte, Lehrerin und Übermutter, erhält einen Brief. Sie erfährt, dass er im Schlosshotel wohnt, „das schöne Zimmer hat und eine noch ganz brauchbare Verpflegung.“
Neben einer Bildhauerin, die in ihrer Jugend „Malweib“ in der Künstlerkolonie Worpswede war, richtet Rilke auch noch einen Brief an Anni Mewes, eine Schauspielerin und langjährige Briefpartnerin.
Schönheit in poetischen Worten
An Imma von Ehrenfels, Tochter eines Philosophen und verheiratet mit einem Religionsforscher, sendet Rilke den letzten Brief, in dem er noch einmal die Schönheit der Fraueninsel in poetische Worte fasst.
Abschließend trug Janka zwei etwas kryptische Gedichte Rilkes vor, die der Dichter an Sophie Liebknecht geschickt hat. Beide, „An den Engel“ und „Narziss“ seien, so Janka, eine kleine Selbstbeschreibung mittels zweier Symbolfiguren aus Rilkes lyrischem Kosmos.