Mischung aus Süße und Schwermut

von Redaktion

Bach und Mozart beim letzten Meisterkonzert mit Pianistin Sa Chen im Kuko

Rosenheim – Forschen Schrittes eilt die chinesische Pianistin Sa Chen zum Klavier und beginnt ebenso forsch mit dem dämonisch-leidenschaftlichen Kopfsatz des d-Moll-Konzertes von Bach, markiert energisch die rollenden Passagen, verziert alles mit dynamischen Abwechslungen und hübschen Echo-Effekten, richtet das Geschehen hin zum alles überstrahlenden Triller und lässt das Thema dann wieder wuchtig im Bass auftauchen. Die erhabene Schwermut des g-Moll-Adagios verzärtelt sie nicht, sondern bleibt voller Energie, die sich auch im Finalsatz immer wieder neu auflädt wie eine nimmermüde Duracell-Batterie.

Noten
auf dem Tablet

Die Noten liest die junge Pianistin vom Tablet ab und „blättert“ auch auf diesem mit Antippen um. Leider kann man ihre Mimik schlecht beobachten, weil die langen Haare das Gesicht fast ganz verdecken.

Doch das letzte Meisterkonzert dieser Saison im nicht ganz gefüllten Rosenheimer Kuko wartete mit gleich zwei Klavierkonzerten auf: Es folgte Mozarts Klavierkonzert in Es-Dur KV 449, das die Reihe seiner ganz großen Konzerte anführt. Sa Chen zeigte mit intelligentem und stringentem Spiel, wie motivbildend der Triller im Hauptthema ist, lud das liedhafte Seitenthema mit Binnenspannung auf und modellierte vor allem die überraschenden Modulationen, die Mozart immer Spaß machten, bedeutsam heraus.

Sa Chens Spiel ist souverän, technisch perfekt, voll leuchtender Klarheit, scheinbar leichthändig und doch voller musikalischer Konsequenz. Seelenvoll und tiefsinnig entfaltete sie die Kantilenen des in ernster Anmut gehaltenen zweiten Satzes und gestaltete die Mozart‘sche Mischung aus Süße und Schwermut mit Nachdruck. Im Finalsatz demonstrierte sie mit heiter verspieltem Ernst und Grazie Mozarts geistvollen kontrapunktischen Witz, die Melodiebögen oft mit der Linken nachzeichnend und dabei das Orchester sanft anleitend.

Für den überaus herzlichen Applaus dankte sie mit der perlend-quirligen Mazurka op. 7 Nr. 1 von Chopin.

Erst jetzt soll die Rede vom Orchester sein: Das Hungarian Chamber Orchestra wurde erst 2011 gegründet und besteht laut Programmheft „aus den renommiertesten Musikern der jungen Generation Ungarns“. Klingen tut es aber wie eines von vielen seiner Art. Unter der Leitung von Markus Korselt ließ es im Mozart-Konzert den wichtigen Triller unwichtig erscheinen und trennte auch nicht deutlich das Haupt- vom Nebenthema, wurde aber dann doch ganz samtig im zweiten Satz und ließ sich im Finale vom zündenden Spiel der Pianistin mitreißen.

Mit dem Quintetto Concertant in C-Dur von Michael Haydn, für Streichorchester ins Orchestrale erweitert, eröffnete dieses Hungarian Chamber Orchestra das Konzert. Bei aller Serenadenseligkeit, bei allem anmutigen Imitations-Spiel mit Pizzicato-Effekt und liebenswürdigem Spielwitz verflüchtigte sich der Klang etwas im großen Saal.

Dafür konnten die Musiker im Schlussstück aufdrehen, dem Divertimento von Béla Bartók, das sich formal an barocke Concerto-grosso-Stilistik anlehnt und Bartóks letztes Werk vor seiner Emigration nach Amerika gewesen ist. „Divertimento“ bedeute ja amüsante, unterhaltende Musik, schrieb Bartók dazu, und weiter: „Mich jedenfalls unterhält sie, ob es dem Publikum genauso ergehen wird, bleibt abzuwarten.“ Dem Rosenheimer Publikum gefiel es.

Vielleicht, weil die Musiker die mögliche allzu große Schroffheit mieden, sich dauernd nach Klangschönheit sehnten, die reichlich eingestreuten ungarischen polyrhythmischen Tanzformen hübsch darboten und vor allem geigentanzlustig wirbelnd mit gemütvollen Pizzicati endeten.

Gefährlich
wirkende Melodik

Vor diesem Schluss aber tauchten die Musiker wirklich klangschön tief ein in die sich schlangenartig windende, gefährlich wirkende Melodik des Adagios und trillerten sich bedrohlich hoch: eine unheimliche Nachtmusik und eine Vision unheilvoll drohender Schärfe – die man sich allerdings noch, so wie die schreienden Dissonanzen, schärfer geschliffen vorstellen könnte. Doch der schwungvolle Schluss zeigte seine Wirkung: Die Zuschauer applaudierten hochanimiert und erzwangen sich noch eine Zugabe, ein jagendes Presto im Haydnschen Duktus.

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