Akrobatik ohne Netz für Sänger

von Redaktion

Tonschönes Chor-Konzert der Capella Vocale Prien am Passionssonntag

Prien – Sänger und Streicher haben ein gewaltiges Plus: Sie kultivieren die reine Stimmung.

Sind da etwa ein Streichquartett oder ein Chor am Werk, und es handelt sich dabei um Könner, ist für den musikalischen Connaisseur die Freude groß und er verzichtet gerne auf die „wohltemperierte“ Tonleiter. Entsprechend verwandelte Bartholomäus Prankl mit seinem Chor die kostbare A-cappella-Musik des Programms zum Passionssonntag in euphorisierende Klangmagie – schon die zarten „reinen“ Schluss-Dreiklänge waren den Besuch des Konzerts wert.

Vehemente
Ausdruckskraft

Der einstimmige Hymnus „Crux fidelis“ aus St. Gallen entfaltete gleich zu Beginn die vehemente Ausdruckskraft des gregorianischen Gesangs.

Im Grunde ist das für die Sänger Akrobatik ohne Netz: tonschön, aber in dichter Gespanntheit müssen sich die kostbaren Melismen gleichsam über den Kirchenraum wölben.

Bartholomäus Prankl, so hatte man das Gefühl, wollte alle sängerischen Tugenden bündeln: Mit seinem Nuancen modellierenden Dirigat erzeugte er einen fließenden und weichen Duktus. Zugleich aber forderte er mit energischem Taktschlag präzise Einsätze und Schlüsse ein. Und nicht zuletzt wusste er den Chor zu einem packend farbigen Klang zu animieren.

Nach einem „Kyrie“ von Palestrina (aus der Missa Papae Marcelli) folgte das ominöse „Miserere“ von Gregorio Allegri, das einst im Vatikan eifersüchtig unter Verschluss gehalten, nur am Karfreitag öffentlich erklingen durfte. Bei dieser Gelegenheit hat bekanntlich der junge Wolfgang Amadé den „Code“ geknackt und die neunstimmige Musik aus dem Gedächtnis in Noten übertragen. Elegant und eindringlich die solistischen Einschübe (Verena Schmid, Sopran, Anna Zieglmaier, Alt, Jakob Albert, Bass). Die Sopranistin Jenavieve Moore-Steiner faszinierte bei ihren Soloeinwürfen mit einem glasklaren Aufschwung in höchste Höhen.

Ein Programm, ausschließlich bestückt mit A-cappella-Gesängen, fordert physisch wie interpretatorisch höchste Kraft und Konzentration – vom Chorleiter ebenso wie von den Sängern. Lediglich Bachs Motette „Komm, Jesu, komm“ wurde von Aaron Voderholzer auf der Continuo-Orgel einfühlsam begleitet. Der Chor steigerte den Imperativ „Komm, Jesu, komm“ fast zu herausforderndem Befehl. Das war aber sicher im Sinn des mitunter auch harschen Thomaskantors.

Als Kontrast das herb-innige „Unserer lieben Frauen Traum“ von Max Reger.

Bei Felix Mendelssohn Bartholdy herrscht dann wieder sonniges Dur. Der Psalm 43 bringt eine breite Gefühlsskala, welche der Chor sensibel ausleuchtet: „Richte mich, Gott, und führe meine Sache wider das unheilige Volk“ und später „sende dein Licht und deine Wahrheit“ und schließlich „zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist“. Dagegen klang „God so loved the world“ von John Stainer (1840-1901) wie ein Mendelssohn auf Englisch.

Danach aber folgten bis zum Schluss musikalische Schwergewichte, wenn auch mit französischem Charme und farbigem Esprit: Maurice Duruflé bezaubert immer wieder mit seinen schlichten und doch komplexen „Vier Motetten über gregorianische Themen“. Besonders populär das vielfach vertonte „Ubi caritas“.

Francis Poulencs „Salve Regina“ ist von der berückenden Farbigkeit mancher Glasfenster. Dominiert hier frohe Diesseitigkeit oder mystische Entrücktheit – oder ist es eine Mischung aus beidem?

Bartholomäus Prankl hat den Gehalt dieses Werks intensiv ausgelotet, und der Chor folgte den inspirierenden Intentionen des Dirigenten ohne Abstriche.

Messe von
Philippe Mazé

Holzschnitthaft kantig, dabei getaucht in glühende Farben, erklangen zwei Teile aus einer Messe des 1954 geborenen Philippe Mazé. Das letzte Wort „pacem“ im „Agnus Dei“ löste der Komponist nicht in den erwarteten Durdreiklang, sondern endete die Bitte um Frieden mit einer zarten dissonanten Reibung: Wir warten ja sehnsüchtig immer noch!

Nach dem abschließenden „Laudate Dominum“ des großen Norwegers Knut Nystedt war das Publikum zu dankbarem und jubelndem Beifall bereit: Nicht nur die schöne Priener Pfarrkirche ist künstlerisch top, ohne Zweifel auch die dortige Kirchenmusik.

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