Rosenheim – Selbst diejenigen Freunde der Blasmusik, die lieber Märsche und Walzer mögen, dürften nach diesem Konzert von dem Wert einer symphonischen Blasmusik überzeugt sein: Im relativ gut besetzten Kultur- und Kongresszentrum gab das große symphonische Blasorchester der Stadtkapelle Rosenheim ein Konzert vor allem mit Werken von Alfred Reed: „All over Reed“, hieß es deswegen, also: überall Reed. Dieser Alfred Reed (1921-2005) ist nicht nur einer der produktivsten Komponisten für Blasmusik, sondern auch einer der bedeutendsten, weil er der symphonischen Blasmusik weltweit Geltung verschafft hat.
Bewundernswerte
Geschlossenheit
Wolfgang Hauck leitet die Stadtkapelle nun schon seit 2014 und wird sie wohl weiter leiten, auch wenn er nun zusätzlich Leiter des Kulturamts ist. Unter seiner Leitung hat die Stadtkapelle eine bewundernswerte Geschlossenheit entwickelt und auch eine hohe Qualität erreicht.
Natürlich gab’s an diesem Konzertabend nicht nur Reed-Werke: Ein wuchtiger Beginn war die „Symphonic Fanfare“ von Mark Camphouse, entschlossen gespielt und rhythmisch gut markiert mit sattem schwerem Blech und einer großen Schlagwerkbatterie. „Musikalische Bilder in die Köpfe zaubern“ wollte Hauck dann mit „Aquarium“ von Johan de Meij. Das schildert blasmusikalisch die bunte Welt der tropischen Fische: Mit ruhigen Wellenbewegungen taucht bildhaft die Tiefsee auf, die einzelnen Instrumentengruppen stellen sich dabei vor und mischen reizvoll ihre charakteristischen Klänge. Lauernd nähert sich im zweiten Satz ein Hai mit tiefdrohenden Tönen und scharfen Trompeten und attackiert die lustigen Seepferdchen. Diese Bilder, die Hauck vorher erzählte, entstanden kraftvoll im Hirn des Hörers. Trotz der klaren Zeichengebung des Dirigenten war die Pauke hier noch um Sekundenbruchteile hintendran und die Trompeten bisweilen nicht ganz klangeinheitlich.
Das änderte sich aber schnell, als bei allen Musikern die „Betriebstemperatur“ erreicht war. Feierlich und echt hymnisch breitete sich „Redemption“ von Rossano Galante aus. Und bei den Werken von Reed stimmte dann im Orchester alles: Vier „Armenische Tänze“ ließen die Orchesterfarben aufleuchten, das Blasorchester geriet beim „Aprikosenbaum“ geradezu ins Singen, wurde dann noch reicher an Klangnuancen in dem Tanz, der mit einer filigranen Melodie ein Rebhuhn beschreibt, das polyrhythmisch watschelt und dann fliegt, alles in einem ständigen Rhythmuswechsel, der an einen Zwiefachen denken lässt. Nach einem sehr kantabel fließenden Liebeslied kam’s zu einem temperamentvollen armenischen Fest mit großen dynamischen Steigerungen und einem in die Beine gehenden Rhythmus mit einem feurig wirbelnden Schluss.
Das Hauptwerk des Abends war Reeds Trompetenkonzert mit vier Sätzen. Solist war Peter Mönkediek, Solotrompeter im Sinfonieorchester des WDR. Der brachte mit strahlend-reinem Klang, reinster Intonation, mühelosen schnellen Läufen und überhaupt immer sogfältig geformten Trompetentönen das fachkundige Publikum zum Dahinschmelzen. Auch das Orchester ließ sich beflügeln, spielte nun noch agiler und selbstverständlicher und produzierte leicht exotische Klänge im „Song“, der ein taiwanesisches Volkslied verarbeitet. Samtig-bluesig mit gestopften Trompeten klang das Orchester im „Slow Blues“, während Mönkediek jetzt mit seinen weichen Flügelhorn-Tönen die Zuhörer in eine verträumte Bar-Atmosphäre versetzte.
Mitwippende
Schlagzeuger
Im letzten Satz, der „Samba“, legen alle fetzig los und auch die fröhlich im Takt mitwippenden Schlagzeuger schlagen völlig akkurat.
In der Filmmusik zu „Batman“ von Danny Elfman versetzte das Orchester mit düsterdunklen Klängen und schneidig-schneidendem Trompetengeschmetter die Zuhörer in die Straßenschluchten von Gotham City, wo sich auch zwei Saxofone musikalisch duellierten.
Für den überaus herzlichen Beifall bedankten sich Orchester und Solist mit der Wiederholung des „Songs“ aus dem Trompetenkonzert. Und keiner mehr hatte Sehnsucht nach Walzern und Märschen.