Bruckmühl – Farbe und Form, Technik und Inhalt: Die Werke der beiden Künstler Annegret Hoch und Thomas Witzke ergeben zusammen eine spannungsreiche Präsentation zeitgenössischen Kunstschaffens. Annegret Hoch lebt und arbeitet als Malerin in München, Thomas Witzke ist in Ulm und Stuttgart zu Hause. Von ihren intensiven Farben leben die Arbeiten beider.
Annegret Hoch hat nach ihrem Studium bei Jerry Zeniuk dessen Auffassung von Farbe und Form eigenständig weiterentwickelt. Ihre Bilder gestaltet sie fast ausnahmslos in dem besonders leuchtstarken Ei-Tempera auf Nessel. Für den Untergrund verwendet sie eine Mischung mit Knochenleim – ein „altmeisterlicher“ Farbauftrag, wie er bereits bei den alten Ägyptern üblich war.
Historisches
Narrativ
Bewusst bringt sie damit ein historisches Narrativ in ihre Werke ein. Sie arbeitet in Serien, die den Titel „Peak“ (Gipfel) tragen, auch „Kosmos – Gedankenknödel“ oder „Landschaft ist auch da“. Aus den Bildern der Reihe „Peak“ wachsen vom unteren Bildrand schmale Säulen empor, die nach oben harmonisch abgerundet sind.
Diese Säulen drängen sich dicht aneinander, überlagern sich zum Teil, und ihre Farben sind nicht scharf getrennt, sondern überschneiden sich an den Rändern, sodass die untere Schicht durchschimmert. Das ergibt eine weitere Farbe im Bild. Mit den länglichen Elementen, die immer das Maß eines breiten Pinselstrichs haben, gestaltet Annegret Hoch mehrere Serien. Auch die Reihe „Kosmos – Gedankenknödel“ basiert darauf, dieses Mal aber die Elemente nicht wohlgeordnet nebeneinander, sondern sich in wildem Durcheinander kreuzend. Es ist die malerische Vorstellung von Gedanken, die sich im Kopf festsetzen und sich zu einem nur schwer auflösbaren Knödel zusammenballen.
In einem Bild der Serie „Laisse aller“ (lass gehen) bewegen sich die Farbstreifen in einer sachten Bewegung von oben nach unten und dann mit Schwung zur Seite – einem Vorhang oder einer Haarsträhne gleich. Diesen Bildern – auf Leinwand oder Holz gemalt – wohnt eine besondere Rhythmik inne. Mit ganz anderen Mitteln sind die installativen Serien geschaffen. Eine solche Serie trägt den Namen „Post it“ und besteht aus geschnittenen, unterschiedlich großen farbigen Streifen, die in überlegter Anordnung auf einen Untergrund getackert sind.
Bewegung schwingt in allen Werken, heiter und freundlich stimmend sind die Arbeiten von Annegret Hoch, besitzen jedoch gleichzeitig den Anspruch eines klugen, wohl durchdachten Konzepts. Die Künstlerin studierte von 1993 bis 1999 an der Akademie der Bildenden Künste in München und schloss mit dem Diplom ab. 2000 und 2001 besuchte sie das Chelsea College of Art and Design in London und erhielt dort ihren Master of Arts. Betrachtet man ihre Bildelemente als architektonische Bausteine, so ergibt sich hier ein möglicher Schnittpunkt mit den Arbeiten ihres Ausstellungspartners Witzke.
Thomas Witzke studierte Kunstgeschichte und Ethnologie in München und schloss daran die Ausbildungen zum Kunsttherapeuten und zum Mediendesigner an. Die künstlerischen Wege sowohl von Hoch als auch von Witzke werden von einer Vielzahl von Ausstellungen und Auszeichnungen begleitet.
Ein kleines Wiesenbild von Thomas Witzke begrüßt den Besucher im Eingangsbereich der Galerie. Es ist Bestandteil einer umfassenden Foto-Installation, die der Künstler im Haus aufgehängt und zudem im Dachgeschoss als Stelen auf dem Boden positioniert hat. Witzke zitiert hiermit Albrecht Dürer, der im Jahre 1503 mit seinem „Großen Rasenstück“ Aufsehen erregte, weil er sein Augenmerk auf so etwas Schlichtes wie ein Stück Wiese richtete. Thomas Witzke hat ebensolche Ausschnitte von Blumenwiesen fotografiert und ohne Hintergrund freigestellt auf Büttenpapier vergrößert.
Die Blumen erhalten auf diese Weise eine starke Präsenz – besonders in der Raum-Installation, für die der Künstler seine Fotos auf 21 im Raum stehende Acrylglasplatten übertragen hat. In der Hauptsache jedoch besteht seine Präsentation aus meist großformatigen Vektorzeichnungen. Auch diesen liegt zunächst eine Fotografie zugrunde.
Der Künstler fotografiert und bearbeitet dieses Foto in der Folge am Computer mit vektorbasierten Zeichenprogrammen. Dank dieser Vorgehensweise können die Bilder ohne Qualitätsverlust beliebig vergrößert werden und sind dennoch von vorne bis zum Ende scharf.
Dialog um
Kunst und Raum
Leere Räume stehen vor dem Auge des Betrachters, nichts verstellt den Blick auf das Wesen dieser Innenräume. Thomas Witzke hat Museen und Galerien zum Thema gemacht, er zeigt auf, wo Kunst zu Hause ist.
So führen seine Werke den Betrachter zu einem geistigen Dialog um Kunst und Raum. Die Neue Pinakothek mit ihren roten Wänden und kontrastierenden weißen Türen, das Atelier Emil Nolde in Seebühl, das Museum Bergguen in Berlin oder die Staatsgalerie Stuttgart, auch das Atelier von Gabriele Münter in Murnau oder das Atelier von Paula Modersohn-Becker in Worpswede: Alle Wände sind farbig angelegt, wobei die Klarheit der Farben fasziniert. Weiß und mit einer Gewölbedecke stellt sich das Kunstmuseum Heidenheim vor und vermittelt einen nahezu sakralen Eindruck. Und auf allen Werken endet der Blick am Fenster, es gibt keine Sicht nach außen.
Nur eine Ausnahme hat der Künstler sich gestattet: Beim Blick aus dem Fenster des Modersohn-Becker-Hauses sieht man draußen üppiges Grün wuchern. Es hat eine gewollte Unschärfe, wirkt beinahe wie malerisch hingetupft. Thomas Witzke vermittelt damit, dass die Malerin eine besondere Liebe zu ihrem mittlerweile denkmalgeschützten Garten hegte – das ist sein Anliegen, daher die Ausnahme.