Kolbermoor – 9500 Besucher seien seit 20 Jahren zu den Konzerten gekommen, stellte der Kirchenmusiker Gerhard Franke fest, als er das Publikum zum 100. Kolbermoorer Orgelmittwoch in der Kirche „Wiederkunft Christi“ begrüßte.
Wir rechnen kurz: Das ergibt einen Durchschnitt von knapp 100 Orgelfans pro Mittwoch. Zum Hundertsten war der Besuch gefühlt deutlich über dem Durchschnitt. Zu diesem besonderen Anlass kam auch ein „besonderer Organist“, nämlich Domorganist Prof. Winfried Bönig, extra aus Köln angereist.
Wie gestaltet man
ein Festprogramm?
Eine Herausforderung: Wie gestaltet man ein Festprogramm in der kargen Karwoche?
Der Organist hat mit Feingefühl auf die liturgische Stimmungslage reagiert, ohne auf die klangvollen, ja kulinarisch raffinierten Farben der „Königin der Instrumente“ zu verzichten. Ein Sektempfang blieb natürlich außen vor, aber als Souvenir wurde den Besuchern ein Täfelchen Schokolade mit dem Aufdruck der Orgel überreicht. Auftakt mit J.S.Bach – ein Herr meinte, mit Bach im Programm könne nichts mehr schief gehen: Natürlich ging nichts daneben, auch wenn so romantisch orientierte Komponisten wie Franz Liszt und Mendelssohn Bartholdy mit im Gepäck waren, oder gar der 1940 gefallene Franzose Jehan Alain. Zwischen Bachs Präludium und Fuge e-moll (BWV 548) schob der Organist „An Wasserflüssen Babylons“ (BWV 653), ein fast pastorales, wenn auch melancholisch eingetrübtes Intermezzo „in hellem G-Dur“. Nun lösten sich die dissonanten Klangattacken des Präludiums und machten das Ohr bereit für die fulminante Fuge. Die „Partite diverse über Sei gegrüßet, Jesu gütig“ (BWV 768) ermöglichte in den einzelnen Variationen einen erregenden Einblick in die klanglich so unterschiedlichen Register. Da polterten die Bässe, schnarrten die „Fagotte“, schmeichelten die „Flöten“. Und konsequent fand die Farbenvielfalt ihre Krönung im abschließenden Tutti.
Eine interessante Kuriosität Franz Liszts „Erinnerung an die Sixtinische Kapelle“. Aus dem Dunkel des Pedals steigen mystische Akkorde langsam ans Licht. Da mischt sich unversehens das Thema aus Gregorio Allegris „Miserere“ mit hinein und schließlich endet diese „Evocation“ mit dem Zitat von Mozarts „Ave verum“. Die brillante Registrierung ermöglichte es dem Hörer, die Absichten Liszts nachzuvollziehen.
Mendelssohn Bartholdys Orgelsonate A-Dur ließ bedrängend den Psalm „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ anklingen. Der Andante-Satz mit der typisch holdseligen Melodik dieses romantischen Komponisten kehrte dann wieder Friede in die Seele der Zuhörer.
Zutiefst
spirituelle Musik
Ein sehr berührender Abschluss: Die „Litanies“ von Jehan Alain. Dass es sich bei diesen in die Passionszeit durchaus passenden Litaneien im Grunde um eine hochvirtuose Toccata handelt, merkt man erst so richtig, wenn man dem Organisten „auf die Finger“ schauen kann. Trotzdem ist es eine zutiefst „spirituelle“ Musik. Langer, heftiger Beifall, doch keine Zugabe. Die hätte auch wirklich nicht gepasst. Aber den nächsten Orgelmittwoch am 3. Mai haben wir im Visier.