Übersee – Fast gab es keinen Platz mehr in den Galerieräumen im Wirtshaus Feldwies. Mehr als 100 Gäste sprengten bei der Vernissage zur Ausstellung „Malerei und Kunst in schwieriger Zeit: 1918 – 1955“ alle bisherigen Besucherrekorde in den Ausstellungsräumen. Vielleicht war es die historische Komponente des Ausstellungstitels, die außergewöhnlich viele Besucher anlockte. Sie alle bezeichneten die Präsentation als „einmalig“.
Ortsheimatpflegerin Annemarie Kneissl-Metz führte die Besucher zunächst in die Lebensumstände der schwierigen Zeiten von 1918 bis 1955 ein. So war die Epoche nach dem Ersten Weltkrieg existenziell extrem herausfordernd. Es herrschten Hunger und Not, und wer arm war, konnte nicht malen. Es folgte die Weltwirtschaftskrise mit vielen Einschränkungen und dann die strengen Regeln der Nazi-Diktatur. Wollten die Künstler nicht Parteimitglied werden, bekamen sie Berufsverbot. Beispielloses Elend herrschte in den sechs Kriegs- und den anschließenden Nachkriegsjahren. Viele Maler kamen während des Krieges und nach 1945 aus den zerstörten Großstädten nach Übersee und fanden hier eine neue Heimat. „Bemerkenswert“ sei es, so Kneissl-Metz, „dass nur die vier Künstler Max Steinleitner, Judith und Karl Exter sowie Sebastian Schwaiger der späteren Malerkolonie in Übersee geboren und aufgewachsen sind.“ Warum sich alle anderen Kunstschaffenden in so großer Zahl gerade in Übersee und Feldwies niederließen, ist bis heute nicht bekannt. Die Gründe mögen die Malschulen von Julius Exter, Willi Geiger und Arnold Balwé, die vielfältigen Motive der Voralpenlandschaft mit Chiemsee, Berge Moor und bäuerlichen Siedlungen, die günstige Verkehrsanbindung durch die Eisenbahn, in den Notzeiten die bessere Versorgung mit Lebensmitteln, oft im Tausch gegen Gemälde und Wohnraum auf den Höfen gerade für Geflüchtete, Vertriebene oder Ausgebombte gewesen sein.
Dem Arbeitskreis Ortsgeschichte ist es mit dem Arbeitskreis Kultur gelungen, 46 Maler aus Übersee und Feldwies zu finden, die in diesen Notzeiten hier gelebt und gearbeitet haben. Viele von ihnen, besonders die bekannten Maler, wie Geiger, Brendel, Balwé, Harnest, Lederer, Kiefer, Schwaiger und Steinleitner sind in Übersee noch sehr präsent. Anderen hingegen droht das Vergessen, so beispielsweise Judith Exter, Karl Exter, Lore Müller, Käthe Fleck, Käthe Seele, Erna Dinklage, Wilhelm Hofelich, H.H. Lehmann, Friedrich Eriksdun, Wolfgang Zeller und anderen.
Die Ausstellung zeigt unterschiedliche Stilrichtungen und Motive und erinnert durch Informationstexte an das Leben der Künstler im Ort. Gezeigt werden nicht nur über 90 Gemälde, sondern auch besondere Kostbarkeiten, wie die Staffeleien von Walter Lothar Brendel und Walter Lederer. „Die Präsentation besteht aus jeweils zwei Teilen“, erklärt die Organisatorin Kneissl-Metz. Zu jedem Gemälde gibt es ausführliche Informationstexte über das Leben des Künstlers, wie seine erfolgreichen oder abgebrochenen Karrieren, von politischem Widerstand oder politischer Anpassung, von Repressalien, Diskriminierung und äußerer oder innerer Emigration.
Diesen Informationen lag eine akribische Forschungsarbeit des Veranstaltungsteams zugrunde, dessen Erkenntnisse auch in der Fachwelt bisher nicht bekannt sein dürften. Besonders die Befragung von Zeitzeugen lässt das Leben der Künstler erstrahlen. Musikalisch begleitet wurde die Vernissage von der „Radlschmied-Musi“. Die Ausstellung in den Galerieräumen des Wirtshauses Feldwies ist bis einschließlich Sonntag, 23. April, täglich von 17 bis 20 Uhr zu sehen. vd