„Kirche“ und „Birne“ sind weder bairische noch deutsche Worte

von Redaktion

Über den Einfluss der griechischen und lateinischen Sprache auf das heimische Idiom

Nicht nur für Kirchdorf am Inn – offizielle Schreibung: Kirchdorf a. Inn –, sondern auch für Kirchdorf am Haunpold – offiziell: Kirchdorf a. H. – ist 2023 ein Jubiläumsjahr:

Das erstgenannte Kirchdorf war seit dem frühen 19. Jahrhundert Namensgeber für die gleichlautende Gemeinde; aber am 26. Juni 1953 wurde der Gemeindename zu „Gemeinde Raubling“ geändert.

Ein ganz ähnliches Schicksal hatte Kirchdorf am Haunpold. Die gleichlautende Gemeinde hieß nämlich ab dem 31. März 1948 „Gemeinde Bruckmühl“. Ob diese Umbenennungen vor 70 beziehungsweise 75 Jahren tatsächlich Anlässe zum Feiern waren und sind, will diese Ortsnamenserie nicht bewerten. Hauptsache, die Pfarrdörfer selber wurden nicht umbenannt. Ihre Namen klingen zwar ganz einfach, doch dahinter sind recht interessante Aspekte zu beobachten.

So kann anhand des Bestimmungswortes „Kirch“ mit einer sprachlichen Legende aufgeräumt werden, die durch manche Medien geistert: das Bairische habe kein Ü in seiner Sprache. Wenn man genau zuhört – zualost –, kann man insbesondere im südlichen Teil unserer Region, also in der Nähe der Vorberge des Wendelsteins, die folgende Aussprache für „Kirche“ vernehmen: „Heits (Seid) ees (ihr) schoo (schon) a (in) da (der) Kiuch gween?“ – „Ja freile (freilich). A da Friamess“. Der Zwielaut /iu/ klingt hier stark nach /ü/, allerdings ohne die für das Standarddeutsche übliche Rundung dieses Vokals.

Anderes Beispiel: „Mogst an Biun?“ Einen Birnschnaps also, aber natürlich erst nach der „Kiuch“!

So schön bairisch, wie „Biun“ und „Kiuch“ auch klingen, sie sind ursprünglich keine bairischen und zudem auch keine deutschen Wörter: Die Birne verdankt ihren Namen einer „pira“ aus dem volkssprachlichen Latein, die einem „pirum“ des klassischen Lateins entstammt. Die „Kiuch“ hat sprachlich tatsächlich mit dem aus jedem Gottesdienst bekannten „Kyrie eleison“ = „Der Herr sei mit euch“ zu tun. „Kyrie“ ist der Vokativ (Anredefall) für altgriechisch „kyrios“ = Herr. Hierzu gibt es das Eigenschaftswort „kyriakon“, später „kyrikon“, zu welchem ein Begriff wie „Haus“, „Dom“ zu ergänzen war: „Herrschaftliches Haus“, „Haus des Herrn (Herrgotts)“. Das Bezugswort wurde dann weggelassen, wodurch „Kyrikon“ zum Hauptwort und zur Bezeichnung für ein Gotteshaus wurde. Später wurde das /y/ entrundet und als /i/ gesprochen und geschrieben.

Im schottischen Englisch heißt die Kirche heute noch „kirk“, während im hochdeutschen Sprachraum – dieser erstreckte sich zwischen der mitteldeutschen und süddeutschen/oberdeutschen Region – die beiden k-Laute entsprechend der hochdeutschen Lautverschiebung, die bis 750 abgeschlossen war, als Reibelaut /ch/ gesprochen und geschrieben wurden.

Diese Entwicklung kann anhand von Kirchdorf a. Inn gut nachvollzogen werden: 1176 noch Chirchdorf, 1180 schon Kirichtorf, aber im 14. Jahrhundert nochmals als Chirchdorf mit Reibelaut im Anlaut (ersten Buchstaben) geschrieben.

Ein Kirchdorf a. Inn gibt es in unseren Breiten gleich dreimal: Im Landkreis Rottal-Inn, in Oberösterreich und eben in der Gemeinde Raubling. Vorschlag: Warum keine Umbenennung zu „Kirchdorf am Wasen“, „Kirchdorf a. W.“?

Der bekannte Namenforscher Dr. Josef Bernrieder, der Kirchdorf a. Inn als „Dorf mit einer wohl damals schon gemauerten Kirche“ erklärt, hat genau diese alternative Bezeichnung überliefert. Armin Höfer

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