Rosenheim – Handelt man, wenn man moralisch handelt, aus Güte oder aus Feigheit? Lohnt sich moralisches Verhalten? „Lohnt“ sich das Gegenteil? Diese existenziellen Fragen verhandelt das knapp dreistündige Theaterstück „Die Opferung von Gorge Mastromas“ von Dennis Kelly, das die Theaterinsel unter der Regie von Gabriela Schmidt aufführt.
Gorge Mastromas „tendierte meist zur Moral“ und tat immer das anscheinend Richtige – fühlt sich dadurch aber nicht vom Leben belohnt.
Ende als
Einsiedler
Also wendet er sein Verhalten einfach ins Gegenteil und wird ein echtes soziales Arschloch mit einem dreifachen Mantra: Nimm Dir alles! Lüge immer! Bereue niemals und denke immer daran, einmal aufzufliegen! Und so lügt Gorge Mastromas hemmungslos, kauft auf, was er will, richtet andere zugrunde und geht buchstäblich über Leichen. Aber das Leben holt ihn am Ende doch ein und er endet kläglich als menschenscheuer Einsiedler in einem Zimmer seines Hauses mit 280 Zimmern. Monster – oder ein Opfer? Genaueres soll aus Spannungsgründen nicht verraten werden.
So einfach, wie hier beschrieben, ist das Theaterstück nun doch nicht, manchmal verwirrt, vor allem verstört es. „Sind Sie angewidert genug?“, fragen die Figuren immer wieder das Publikum. Und Dennis Kelly kann sich nicht entscheiden zwischen Epik und Dramatik, zwischen Erzählung und Handlung. Zuerst erzählen alle Figuren das tugendhafte Leben von Gorge, wobei die Regisseurin dabei um Abwechslung bemüht ist: mit rhythmischem Fußstampfen, Platz- und Figurenwechsel und Taschenlampeneinsatz. Dann wieder gibt es lange dramatische Szenen, in denen Kern-Geschehnisse abgehandelt werden – die aber auch gestrafft hätten werden können. Dann wäre alles balladesker, moritatenhafter geworden. Gewissermaßen als symbolischer roter Faden taucht immer wieder ein ominöses rotes Tuch auf, auch einmal als rotes Menetekel an der Wand: Das nicht abwaschbare Blut aus Shakespeares „Macbeth“ lässt grüßen.
Die erzählenden Figuren übernehmen Rollen in den dramatischen Szenen: Regina Moser spielt temperamentvoll einen Hotelpagen, Arnd Schöler mitleidheischend den ersten Geschäftsmann, den Gorge auf dem Gewissen hat, Angela Putner mit schneidendem Zynismus eine Geschäftsfrau, Thomas Eiwen mit lauernder Berechnung Gorges Bruder, der dessen Lügen entlarven will, und Simon Baumann mit ehrlicher Entrüstung, aber auch ebenso ehrlichem Mitleid den bisher unbekannten Enkel von Gorge.
Eine große Rolle hat Olivia Raclot als Julia, eine zerstörte und zerstörerische junge Frau, deren Reiz Gorge erliegt. Sie wirkt am Ende statuarisch wie Nemesis, die Rachegöttin, persönlich.
Kein
strahlender Tycoon
Oliver Heinke ist Gorge Mastromas: Aber er ist kein strahlender Tycoon oder Macht ausstrahlender Magnat oder gar schleimiger Kapitalist, Heinke zeigt dieses Monster eher als Opfer: oft stammelnd, winselnd, sich lange erklärend, einmal sich unerklärterweise den Kopf blutig schlagend, aber beileibe nicht Mitleid erregend. Man gönnt ihm sein jämmerliches Ende.
Weitere Aufführungen sind an den Wochenenden bis zum 7. Mai, Freitag und Samstag um 20 Uhr, Sonntag um 17 Uhr. Karten gibt es online unter www.theaterinsel.de oder unter Telefon 08031/9008203 sowie an der Abendkasse.