Bad Endorf – Der Mairegen meinte es wohl gut. Das Land versank in Nässe, aber die Pfarrkirche St. Jakobus hielt die Stellung, denn in ihren festen Mauern wurden die 29. Bad Endorfer Orgelwochen eröffnet. Ein Barockkonzert unter dem Motto „La Serenissima“ war angekündigt. Speziell Musik aus Venedig hatte die Gruppe „Die Spezerey“ ausgewählt, und das auch noch aus einem Jahrhundert, in welchem die „Serenissima“ Europas musikalischer Brennpunkt Nummer eins war.
Die Wogen schlugen hoch (nicht nur die der Lagune), die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geborenen Komponisten experimentierten leidenschaftlich. Man strebte einen „stil moderno“ an, weg von der bisherigen Strenge. Jetzt sollte es „spannend“ werden. Weg also von der zwar durchdachten, aber eben doch etwas abstrakten Mehrstimmigkeit hin zum emotional aufwühlenden Solo mit Begleitung.
Jetzt wurden Arien möglich, und die Oper war geboren. Genies wie Claudio Monteverdi oder Francesco Cavalli hatten nunmehr das Sagen.
Judith Schreyer (Barockvioline) führte charmant durch das Programm und machte die Intentionen der Komponisten wie der Programmgestaltung transparent. Christine Sedlmeier war die Meisterin der Blockflöten. Wenn diese Instrumente souverän und virtuos gespielt werden, verblasst jede Erinnerung an schülerhaftes Gepiepse! Stefan Konzett und Thomas Baur ließen ihre Renaissance-Posaunen wunderbar dezent und mit sonorer Wärme erklingen. Matthias Bertelshofer traktierte die mitteltönige Truhenorgel, ein Instrument, bei dem manche Dreiklänge besonders schön klingen, andere als „Missklänge“ empfunden werden.
Es kommt also bei dieser Vorform unserer heutigen „temperierten“ Stimmung auf die richtige Wahl der Tonarten an.
Doch zuallererst interpretierte Matthias Bertelshofer Bachs Präludium in Es-Dur BWV 552 an der großen Orgel auf der Empore. Strahlende, intensiv leuchtende Farben der hellen Register und die schneidende Kantigkeit der Bässe ließen diesen Bach gleich anfangs zu einem Höhepunkt werden.
Bei den kammermusikalischen Sonaten und Canzonen eines Giovanni B. Riccio oder G. Martino Cesare war die zeitliche Einordnung nicht schwer: Das klingt eindeutig nach „hundert Jahre vor Bach“. Spielerisch, auch verspielt, lustig, schelmisch, immer wieder für Überraschungen gut, kurzweilig! Ins Extreme treibt es in seinen Sonaten Dario Castello. Er pocht ganz nachdrücklich auf seinen „stil moderno“ im Sinne „ich bin auf der Höhe der Zeit“. Nun gibt’s zwischendurch Soli für die einzelnen Instrumente wie in einer BigBand, das wuselt wie improvisiert durch dick und dünn.
Alle Instrumente dürfen ihre besonderen Fähigkeiten und Tugenden demonstrieren, interessant im besten Sinn.
Freilich zeigte uns Giovanni Gabrieli in seiner „Canzon a quattro voci“, wie man auch im alten polyphonen Stil anschaulich, farbig und empathisch komponieren kann. Bewundernswert die Klangfülle der Gruppe, die doch stets filigran und durchsichtig blieb. Das „Lamento della ninfa“ von Monteverdi brachte ergreifend Trauer zu unmittelbarem Ausdruck, und Franceso Cavallis „Ercole amante“ ließ erkennen, dass dieses antike Muskelpaket Herkules für Liebesseligkeit durchaus zugänglich war.
Ein guter Start: Volles Haus und ein enthusiastisches Publikum. Walther Prokop