„Ohne Farbe bin ich ein Niemand“

von Redaktion

Lupe Godoy zeigt ihre Bilder aus Recyclingmaterialien im Wasserburger Ganserhaus

Wasserburg – Knallgrüne Blätter und eine durch die Luft wirbelnde, kanarienvogelgelbe Getränkedose halten immer wieder Schwarz-weiß und Grau in Schach in den rätselhaften Werken Lupe Godoys. „Die Dose sind wir Menschen“, erklärt die quirlige 53-Jährige. Am Eröffnungsabend führt sie fast 50 Kunstinteressierte, darunter auch die Kulturreferentin Edith Stürmlinger, durch ihre Ausstellung „Turbulenzen“.

Lebenslust
und Hoffnung

Sie drückt mit ihren Malereien das aus, was sie die vergangenen Jahre gefühlt hat. Im Malprozess arbeitet sie Fotos ein, versucht, Lebenslust und Hoffnung wiederzuerlangen. Diese Kraft strahlen ihre klein- und großformatigen Werke auch aus. Der Klimakrise trotzen, dem Wüten des Orkans Irma. Aber auch der „Ohrfeige, die uns die Pandemie versetzt hat,“ die Stirn bieten. Ist es das Corona-Virus, das als blaues, undefinierbares Monstrum aus dem Meer emporschnellt? Auf die Lockdownjahre weist auf manchem Blatt fein von Hand gezeichnet der Code: „B1.1.529“ hin. So hieß die sich weltweit rasend schnell ausbreitende Virusvariante Omikron zunächst. „Ich kämpfe immer, gebe nie auf, bis das Bild fertig ist“, so die Malerin, die vor Energie nur so sprüht.

Die Spanierin lebt und arbeitet seit 1995 in Berlin. Dort hat sie Ingolf Hatz, ein Vorstandsmitglied des AK 68, kennengelernt. Der Fotograf hatte sein Atelier im selben Haus, in dem auch Lupe Godoys Galerie war. Ihn faszinierte ihre Arbeit über das Schicksal äthiopischer Schuhputzerjungen. Deren selbst gebastelte Kästen stehen für sie für deren Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie engagiert sich mit einem Verein für die Jungen. Eine dieser Kisten stellt sie aus, in einem Raum, an dessen Wänden ihre Transformationen davon zu sehen sind.

Als Kurator ihrer Wasserburger Bilderschau staunte Ingolf Hatz nicht schlecht, als Lupe Godoy mit ihren meist zusammenklappbaren, oft mehrteiligen Bildern aus Recyclingmaterialien, Pappe oder Papieren neben Leinwänden aus Berlin gereist kam: „Kein Glas, keine Rahmen, alles leicht zu transportieren“, ist ihre Devise.

„Was inspiriert Dich als Künstlerin?“, will Ingolf Hatz wissen. Sie hört beim Arbeiten Radio. „Ich könnte mit der Musik der Tagesthemen schon etwas gestalten“, antwortet sie: „Ich platze vor Inspiration“. Alles – und sei es ein Pinsel – kann zum Auslöser für ein Werk werden. Doch „ohne die Farben bin ich ein Niemand“, betont sie.

Ihre Spontanität ist Programm: Eines ihrer großen Leinwandbilder stellt eine junge Frau mit großen Blättern in den Händen dar. Zu Beginn der Ausstellung war es noch ein Werk „Ohne Titel“. Während der Eröffnung ist sie sich sicher: Das Bild der starken Frau umgeben von grasgrüner Farbe soll „Die Wächterin“ heißen. Zum Übernachten bleibt sie in der Wasserburger Schmidzeile, hat Unterschlupf im Atelierhaus schräg gegenüber vom Ganserhaus, mitten in der historischen Altstadt, gefunden: „Ich kenne Bayern überhaupt nicht. Aber Wasserburgs Glocken, der Fluss, die Vögel, all das erinnert mich an meine Kindheit,“ schwärmt Lupe Godoy, die in Valencia geboren ist und dort in Kunst promoviert hat.

Der Titel eines ihrer Bilder lautet: „What the hell is going on?“, zu deutsch: „Was zur Hölle ist da los?“. Damit verleiht sie einem Vogel mit Kulleraugen eine Stimme. Und das ist auch ihre Auffassung als Künstlerin: Sich wundern, wo wir gerade gelandet sind, über Sachen, die geschehen, ohne dass wir sie wollen. All das übersetzt sie in schön anzusehende, kraftvolle Gegenwelten.

Werkstätten
für Jung und Alt

Die erste Vorsitzende des AK 68, Katrin Meindl, ist stolz darauf, dass die Künstlerin sich bereit erklärt hat, im Ganserhaus Workshops für Jung und für Alt anzubieten, um ihre eigenwillige künstlerische Collage-Technik weiterzugeben.

Öffnungszeiten

Artikel 9 von 10