Schicksalhafte Verflechtungen einer großen Familie

von Redaktion

Roswitha Grubers Tatsachenbericht „Ein Hallodri wandelt sich“ im Rosenheimer Verlag erschienen

Nachdem die Autorin Roswitha Gruber schon zahlreiche dokumentarische Romane vor allem über starke Frauen aus dem bayerischen und österreichischen ländlichen Raum verfasst hat, stellt sie in ihrem neuesten Buch „Ein Hallodri wandelt sich“ die Lebensgeschichte des Holzknechts Sepp Fischer (1877 – 1969) in den Mittelpunkt, der in Reit im Winkl gelebt hat, wo auch Roswitha Gruber seit 23 Jahren wohnt und schreibt. Anschaulich und spannend erzählt sie seine Erlebnisse aus der Perspektive seiner Tochter Resi Zeus (geboren 1930), ihrer langjährigen Freundin, die sie ausführlich über deren Familiengeschichte befragt hat. Gruber holt bei ihrer Darstellung weit aus und beginnt ihre Erzählung mit dem Leben von Resis Großmutter Ursula, deren Geliebter bei einer Schiffsfahrt nach New York an Typhus stirbt. Sechs Monate später wird der gemeinsame Sohn, jener Sepp Fischer geboren. Die Lebensumstände dieses außergewöhnlichen Menschen werden dann detailreich geschildert, wobei auch sein Weg vom Erzeuger unehelicher Kinder zum treuen Ehemann beleuchtet wird, wie der Titel des Buches andeutet. So wird sein erster Sohn Alois 1901 auf der Alm mit einer Sennerin gezeugt, und Tochter Anna geht aus einem „Techtelmechtel“ mit einer Wirtshausbedienung hervor. Der Leser erhält auch ein anschauliches Bild vom Alltag und vom Arbeitsleben vergangener Zeiten. Sepps schwere Arbeit als Waldarbeiter wird beispielsweise genau dargestellt. Auch historische Ereignisse wie der Tod König Ludwigs II. 1886 oder kulturelle Gepflogenheiten wie die Rituale bei der Beerdigung eines Wilderers finden sich in der akribisch recherchierten Erzählung. Nicht nur das Leben Sepp Fischers wird ausführlich beleuchtet, sondern auch das seiner Verwandten, vor allem das seiner beiden Ehefrauen Rosina (1880 – 1927) und Theres (1899 – 1982), Resis Mutter, sowie das seiner insgesamt neun Kinder. Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit Sepps 22 (!) Enkelkindern. Zahlreiche komische Anekdoten, aber auch schwere Schicksalsschläge finden dabei Erwähnung. So hat beispielsweise der Zweite Weltkrieg Unglück über die Familie gebracht: Resis Halbbruder Sepp ist 1941 in Russland gefallen und hat seine im selben Jahr geborene Tochter nicht mehr gesehen. Seine Frau ist dann später als Sängerin volkstümlicher Lieder unter dem Namen Maria Hellwig mit der Tochter Margot berühmt geworden. Weitere Persönlichkeiten stehen in Beziehung zu Sepps Familie: Sein jüngster Sohn Heiner, ein talentierter Skifahrer, heiratet 1968 Heidi Mittermaier, die ältere Schwester der Anfang Januar verstorbenen Rosi Mittermaier, und Resi Zeus geht nach dem Krieg als Emailleurin zu dem berühmten Künstler Albert Gustav Bunge (1893 – 1967) in die Lehre. Auch geografisch wird der Bogen weit gespannt.

So errichtet Maria Liebharda, die älteste Tochter Sepps aus erster Ehe, während des Zweiten Weltkriegs in Brasilien eine Missionsstation, und ihre jüngere Schwester Rosi reist nach Argentinien. Noch heute wohnt Resi Zeus als einzige noch lebende Tochter Sepp Fischers 93-jährig in Reit im Winkl.Richard Prechtl

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