„Gesamte Wiener Psyche“ mit Sachertorte und Grünem Veltliner

von Redaktion

Fulminantes Eröffnungskonzert des „Chiemgauer Musikfrühling“ im Kulturforum Klosterkirche

Traunstein – Voller Überraschungen steckte das Eröffnungskonzert des „Chiemgauer Musikfrühling“ zu seinem 20. Jubiläum im Kulturforum Klosterkirche in Traunstein. Die „gesamte Wiener Psyche“ des 19. und 20. Jahrhunderts werde musikalisch an den verschiedensten Kompositionen und Komponisten präsentiert, versprach Razvan Popovici, Mitinitiator des Musikfrühlings neben Diana Ketler, der neben seinem Part als Bratschist durch das Programm führte.

Wegen all seiner Wunder sei das Programm mit „Die Wunderstadt“ tituliert, erklärte Popovici, was er charmant gleichzeitig auf Stadt und Landkreis Traunstein bezog, die seit 20 Jahren den Chiemgauer Musikfrühling ermöglichen. Es begann mit Wolfgang Amadeus Mozarts frühem „vielleicht glücklichstem Klavierquartett“, so Popovici, bei dem, neben ihm selbst, Diana Ketler am Flügel, der 1983 in Moskau geborene Alexander Sitkovetsky Geige und Julian Arp Cello spielten: das wundervolle, federleicht daherkommende Klavierquartett in Es-Dur, KV 493.

Bezeichnend für den Musikfrühling, dass sie eingangs dieses zu Herzen gehende Stück wählten, danach aber eine Fantasie für Streichquartett von Arnold Schönberg, inspiriert von Mozarts c-Moll-Fantasie.

Hier spielte erstmals der virtuose, in Moskau geborene Violinist Boris Brovtsyn, dessen Spiel kongenial mit der Tastenkunst und den weichen Klängen von Pianistin Diana Ketler harmonierten. Die sperrigen Klänge des Arnold Schönberg gehörten danach ebenso zur „Wunderstadt“ Wien wie die folgenden Stücke von Fritz Kreisler, zum Beispiel „Liebesfreud und Liebesleid“ mit Ketler am Klavier und dem französischen Geiger Nicolas Dautricourt.

Vor der Pause erklang „Die eiserne Brigade für Streichquartett und Klavier von Arnold Schönberg, geschrieben 1916 mitten im Ersten Weltkrieg, bei der er einesteils die walzerselige Wiener Musik parodierte, aber auch die strammen Militärs mit Marschmusik und Hab-Acht-Rufen, indem er die Musiker wie in einem Zoo die Tierlaute nachahmen ließ. So war es sicher das Beste für den 1874 in Wien geborenen, aus jüdischer Familie stammenden Schönberg, dass er noch rechtzeitig 1933 in die USA auswanderte.

Auch in der Pause wartete eine Überraschung zum 20-jährigen Jubiläum des Musikfrühlings: Alle Besucher bekamen nicht nur ein Stück Sachertorte von den Veranstaltern spendiert, sondern auch ein Glas Grünen Veltliner oder Wasser.

Gut gestärkt erlebten alle so nach der Pause die anspruchsvolle Violinsonate in G-Dur, opus 6, von Erich Wolfgang Korngold (1897 bis 1957), der sie schon mit 15 Jahren geschrieben hatte.

Neben Diana Ketler brillierte wieder der russische Geiger Boris Brovtsyn, Preisträger vieler internationaler Wettbewerbe, auf der Geige, Razvan Popovici auf der Bratsche, dazu als Meister auf dem Cello Justus Grimm, der seit gut zehn Jahren als Professor für Violoncello am Königlichen Konservatorium in Antwerpen wirkt.

Fritz Kreislers folgender „Kleiner Wiener Walzer“ für Violine und Klavier und zum Abschluss ebenso beschwingtes Klavierquintett „Rosen aus dem Süden“ sorgte beim Publikum wieder für Entspannung und Glücksgefühle. Alle Musiker auf der Bühne überzeugten das Publikum restlos durch ihr virtuoses, mit voller Hingabe tief konzentriertes, harmonisch aufeinander abgestimmtes Spiel, aber auch durch Temperament und schiere Spielfreude. Christiane Giesen

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