Bruckmühl – Malerei und Zeichnungen von Carmen Jäckel und Objekte aus Ton von Christoph Möller bilden derzeit zusammen eine stimmige Ausstellung in den drei Stockwerken der Galerie Markt Bruckmühl. Es ist eine innere Zusammengehörigkeit der Arbeiten, die überzeugt, ein sensibler Einklang von Empfindung und Wahrnehmung. Beide arbeiten als freischaffende Künstler und können auf ein reichhaltiges Ausstellungsgeschehen zurückblicken – zum ersten Mal in Bruckmühl gemeinsam.
Die skulpturalen Kunstwerke von Christoph Möller lassen – aber das ist nur ein möglicher Versuch der Annäherung – an Pflanzen und Formationen denken, die es ausnahmslos unter Wasser gibt.
Anklänge an Korallen
oder Schwämme
Die Arbeiten, aus Ton geformt, ähneln Korallen oder Schwämmen, und kein Gebilde schaut aus wie das andere. Gleich das Exponat im Eingangsbereich erinnert an die so lebenswichtigen, sauerstoffproduzierenden Gewächse der Meere. Es ist korallenrot, uneben an seiner Oberfläche und besitzt Auswüchse, die sich wie Gefäße öffnen. Die unregelmäßig rote Oberfläche, die eindeutig keine Glasur besitzt, kommt zustande, weil der Keramikkünstler den hierzu verwendeten Ton in seiner Gänze durchfärbt. Nach dem ersten Brand ist das Objekt fertig. Die solchermaßen geschaffene Oberfläche ist stumpf, ja rauh, aber voller Leben. Kunstvoll ist eine weitere Figur von schlankem, hohen Format, dieses Mal in schwarz. Der Aufbau ist kompliziert, der Fuß so geformt, dass er aus kleinen runden Steinen zu bestehen scheint, der mittlere Teil glatt und der obere Teil in gleichmäßigem Muster durchbrochen. Weitere der im ganzen Haus auf Sockeln oder Fußboden verteilten Objekte erinnern an Lebewesen des Meeres. Der Protagonist in Jules Vernes Roman „20 000 Meilen unter dem Meer“ beobachtet aus dem Bullauge des U-Bootes: „Da wuchsen Schwämme von allen Formen, gestielte, blattförmige, kugelrunde, gefingerte, denen die Fischer Namen wie Körbe, Kelche, Spindeln beigelegt hatten“. Ähnliche Formen hat Christoph Möller erarbeitet, spielerisch und in immer wieder neuer Gestalt, sehr nah an der Natur. Nur manchmal weist eine partiell aufgebrachte Lasur darauf hin, dass die Skulptur ein Produkt aus Künstlerhand ist. Darin besteht die Kunst von Christoph Möller, er macht uns natürliche Formen bewusst, indem er sie auf seine Weise bildet. Und: allen Formen wohnt eine Aufwärtsbewegung inne, dem Licht entgegen. Eindrucksvoll bleibt die Vielgestaltigkeit der Objekte, deren Fertigstellung dann endet, wenn Möller glaubt, seine Idee sei in Form gefasst.
Die Malerin Carmen Jäckel stellt den Tonarbeiten eigenständige, sehr individuell gestaltete Ölbilder und Zeichnungen gegenüber. Die Ölbilder scheinen sich dem Thema „unter Wasser“ ebenfalls anzupassen: sie zeigen wunderschöne, üppige Blüten, vermitteln jedoch – gewollt – einen leicht verwaschenen Eindruck. Auch gehören zu den malerischen Kompositionen herunterlaufende Rinnsale, Wasserspuren gleich. Immer wieder trifft man beim Rundgang durch die Ausstellung auf diese barock anmutenden Blumendarstellungen in pastosem Auftrag, deren Farben sich zwischen Magenta und Violett bewegen, manchmal in verhaltenem Rosa.
Zarte Zeichnungen Carmen Jäckels setzen einen weiteren Akzent in der Präsentation. Mit Farbstift oder Kreide gestaltet die Malerin das vor ihr liegende Papier von einem seitlichen Rand zum anderen und von oben bis unten, sodass das Blatt in seiner Gänze gefüllt ist. Carmen Jäckel arbeitet mit beiden Händen und verknüpft ihre gezeichneten Formen miteinander, wenn sich die Stifte begegnen. Ein Netz von feinen Linien spannt sich über das Blatt, und in der fertigen Zeichnung enthüllt sich eine Ordnung, die man erst nach und nach erfasst. Denn jedes Blatt bringt seine eigenen, immer wieder auftauchenden Muster hervor, und wer zu lesen gewillt ist, entdeckt auf den zweiten Blick die zunächst nicht sichtbaren Gesetzmäßigkeiten. Mit Arbeiten in Wasserfarben – vornehmlich in Rot – rundet die Malerin ihre Präsentation ab. Auch hier handelt es sich um organische Formen, Blütenblättern gleich. Sie scheinen über das Papier zu schweben, nirgendwo verankert und dennoch sehr präsent. Ästhetik und Rhythmik zeichnen das gesamte Werk Jäckels aus, alles ist in Bewegung.
Schwer
zugängliche Texte
Keines der 72 Werke – gleichgültig ob von ihr oder von ihm – trägt einen Titel. Und da es zwar sehr sorgfältig hergestellte Kataloge gibt, aber darin schwer zugängliche, surreale Texte von Klaus Neizert (Ehemann von Jäckel und den Beiden durch die Kunst verbunden), ist der Betrachter auf sich selbst gestellt beim Aufschlüsseln der Kunstwerke. Manchmal jedoch bleibt ein Gedankensplitter der verwegenen Texte im Gedächtnis hängen und leistet Beistand: „Was sich der sicheren Vorstellung verweigert, lenkt im Verlauf in einen Bereich stabiler Schatten“.