Rosenheim – Spätestens seit den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gehört das Tenorsaxofon zu den stilbildenden Instrumenten des Jazz. Ihm war ein außergewöhnliches Konzert im Le Pirate gewidmet, das unter der Leitung des in Rosenheim schon bestens bekannten Saxofonisten Claus Koch zusammen mit seinem Tenor-Kollegen Herwig Gradischnig aus Wien unter dem Titel „Tenor Council“ stattfand. Da Drummer Xaver Hellmeier am Tag zuvor mit dem aus New York angereisten Tenoristen Nick Hempton unterwegs war, hatte er ihn als Überraschungsgast gleich mitgebracht, und so gab es eine Weltpremiere im Zusammenspiel mit drei versierten Tenoristen der internationalen Jazzszene. Auch die Rhythmusgruppe konnte sich hören lassen: Neben dem viel gefragten jungen Schlagzeuger Xaver Hellmeier sorgte der in der Schweiz lebende Grieche Giorgos Antoniou am Kontrabass für das harmonische Fundament sowie für melodiöse Chorusse, und der Pianist Claus Raible bereicherte den Gesamtsound mit spannungsgeladenen Akkordeinwürfen, unorthodoxen Linien und an Thelonious Monk orientierten Solo-Improvisationen.
Gespielt wurden vor allem Standards, die sich zwischen modernem Swing der 50er- Jahre und erdigem Hardbop der 60er-Jahre mit Latin- und Funkeinflüssen bewegten. Dazu kamen ein paar Eigenkompositionen. Die drei Tenoristen, alle Virtuosen auf hohem Niveau, improvisierten zwar in der Tradition der großen Stilisten aus jener Ära, diese hatten sie aber zu einer eigenen Spielweise weiterentwickelt, sodass auch deutliche Unterschiede zu hören waren. So erinnerte Claus Koch an die Artikulation Lester Youngs und Hank Mobleys und phrasierte auch bei schnellen Tempi geschmeidig und präzise. Herwig Gradischnigs Sound war oft luftig à la Ben Webster, sein Spiel filigran und impressionistisch. Nick Hempton blies mit Power und voluminöser Tongebung. Er hatte eine eigene retardierende Art in der Phrasierung, sein Vorbild Dexter Gordon war dabei deutlich herauszuhören.
Schnell entstand eine Jazzkelleratmosphäre, und das im ersten Stock, was auch an den Charakteren der Stücke lag. Beispielsweise kontrastierten die „geerdeten“ Harbop-Kompositionen „East of the Village“ von Hank Mobley oder „The Frontline“ von Claus Raible mit der wunderschön oldfashioned gespielten Swing-komposition „Byas a Drink“ von Don Byas (Wortspiel!) auf der harmonischen Basis von „Stompin´ at the Savoy“ oder mit Ray Bryants funky interpretiertem Aufruf „Shake a Lady“.
Melancholisch erklang das Stück „Montmartre“ von Dexter Gordon, der im Februar dieses Jahres 100 Jahre geworden wäre. Auch der Blues durfte nicht fehlen: Tadd Damerons „Just Plain Talkin´“ übernahm diese Funktion, und in Dexter Gordons Up-Tempo-Bop-Komposition „The Chase“ trommelte Xaver Hellmeier ein fulminantes Solo mit einem dezenten Exkurs im Besenspiel.
Höhepunkt des Abends war ein Medley aus vier Balladen-Themen, im Wechsel interpretiert von den drei Tenoristen und Claus Raible, die die Atmosphäre unter den begeisterten Zuhörern vollends zum Knistern brachten. Eine stürmisch herbeiapplaudierte Zugabe mit „If I had You“ von 1928 war dann nach der schnellen offiziellen Schlussnummer „Rabbit Shave“ selbstverständlich.
Richard Prechtl