Seeon – Mit „The Art of Trio“ in St. Walburg auf dem Gelände von Kloster Seeon verzauberten Alexander Sitkovetsky und Nicolas Dautricourt an den Violinen, Razvan Popovici, Viola, und Justus Grimm, Violoncello, in wechselnder Trio-Besetzung das zahlreich erschienene Publikum. Dieses genoss in vollen Zügen die herrliche Akustik in dem architektonischen Kleinod, dessen Kreuzgewölbe den Klang in seinen schönsten Farben sich ausbreiten ließ.
Mit drei verschiedenen Gattungsnamen für Trios – Divertimento, Serenade und Streichtrio – zeigten die Weltklasse-Musiker eine Verbindung von technischer Brillanz und musikalischem Feingefühl, mit dem sie aus den vielen virtuosen Passagen ein zärtliches Miteinander entstehen ließen. Ihre Virtuosität war immer durchdrungen von einer starken musikalischen Aussagekraft, die sich auch in ihrem vollem Körpereinsatz bemerkbar machte. In den Virtuoso-Passagen reizten sie das Tempo aufs äußerste aus – schneller waren sie nicht mehr vorstellbar. Bisweilen entstand der Eindruck von Hochleistungssport an den Streichinstrumenten, da die Interpretation höchste Disziplin und Gleichmäßigkeit, stellenweise besonders in der zweiten Geige, erforderte. In einem Feuerwerk versprühten sie ein unsägliches Temperament, das die Zuhörer zu Bravos und jubelndem Applaus veranlasste. So etwas Großartiges habe der eine oder andere Besucher lange nicht gehört, war beim Verlassen der kleinen Kirche zu hören. Alle vier Musiker sind international tätig, arbeiten mit anderen renommierten Kammermusikpartnern zusammen und spielen in verschiedenen Ensembles oder bei Festivals. Beide Geiger spielen auf seltenen Stradivaris.
Die drei Komponisten des Programms, Joseph Haydn (1732-1809), Zoltán Kódaly (1862-1967) und Jean Cras (1879-1932), stellten verschiedene Epochen vor, wobei das letzte Streichtrio von Jean Cras sicherlich allen unbekannt war, wie der Initiator und Intendant des Chiemgauer Musikfrühlings, der Bratschist Razvan Popovici, vermutete. Er freute sich, an diesem Abend die vier Sätze mit der Bezeichnung „Premier Mouvement“, „Lent“, „Animé“ und „Très animé“ zu Gehör zu bringen. Cras war ein bekannter Admiral der französischen Flotte mit einer großen Liebe zur Kammermusik. In seiner Kapitänskajüte hatte er immer ein Klavier dabei, verriet Cellist Justus Grimm.
Mit seinen Anklängen an Neo-Romantisches folgte sein Trio auf die Serenade für zwei Violinen und Viola, op. 12 von Zoltán Kódaly mit einem markant-lebendigen ersten Satz, einem „Liebesduett“ im langsamen zweiten und mit leidenschaftlich dargebotenen Melodien aus der ungarischen Folklore im Vivo-Schlusssatz. Alle Möglichkeiten der Klangerzeugung auf den Instrumenten waren zu hören, wie streichen, zupfen oder schlagen im Stil einer Gitarre.
Den Anfang machte Joseph Haydn mit seinem luftig-eleganten Divertimento für Streichtrio in G-Dur, op. 8/2. Die klassische Anordnung mit Allegro, Menuett und Presto bereitete den Boden, auf dem anschließend die moderneren Harmonien der zwei folgenden Werke präsentiert wurden. Phänomenal und exquisit musizierten die vier Künstler und zeigten eine Interpretationslust mit Seltenheitswert. Als Zugabe wiederholten sie den letzten Satz von Jean Cras mit der augenzwinkernden Ankündigung des Geigers Nicolas Dautricourt: „second attempt“ (zweiter Versuch). Ein ganz besonderer Konzertgenuss.
Brigitte Janoschka