„Einige Kollegen wurden getötet“

von Redaktion

Interview Dr. Olena Balun über die Kulturgutrettung in der Ukraine

Rosenheim – Die Situation in der Ukraine ist auch für die dortige Kunst- und Kulturszene existenzgefährdend, die russischen Truppen plündern gezielt Kulturgüter und beschießen Museen mit Raketen, es gibt Todesopfer beim Museumspersonal. Hierzu sprach Dr. Olena Balun mit den OVB-Heimatzeitungen. Sie ist gebürtige Ukrainerin, lebt seit 2004 in Deutschland und seit 2015 in Rosenheim. Als promovierte Kunsthistorikerin und freie Kuratorin mit Projekten in Bayern und Berlin engagiert sie sich seit 2017 im Vorstand des Kunstvereins Rosenheim. Seit April 2022 wirkt sie mit in der Koordination und beim Steuerungsteam des „Ukraine Art Aid Center“ mit Sitz in Berlin.

Liebe Frau Dr. Balun, vor Kurzem gab es hier eine Unterstützungsaktion für die ukrainische Kunst – wer hat sich engagiert und für welches Projekt?

Es war eine Art Auktion, die die Rosenheimer Unternehmen Shoe Company und Deli Company organisiert haben. Die Idee stammt von der Inhaberin Sophie Lumpe, die in der Realisierung von Anna Eisner, der Leiterin der Kolbermoorer Kunstakademie, maßgeblich unterstützt wurde. Sie haben sechs Paar Schuhe von sechs Kunstschaffenden gestalten lassen, Alyoscha Blau, Gabriele Middelmann, Stephan Wehmeier, Andrea Rozorea, Gabriele Musebrink und Patrick Mugeot. Im Rahmen eines Benefizabends wurden sie versteigert und der Erlös ging an das UAAC zur Rettung der ukrainischen Kulturgüter, es wurden auch weitere Spenden abgegeben. Die Hilfsbereitschaft war überwältigend. Es kamen mehr als 5000 Euro zusammen. Ich bin zutiefst berührt.

Sie kuratieren nicht nur Ausstellungen und arbeiten für den Rosenheimer Kunstverein, sondern Sie sind auch für das UAAC tätig, das „Ukraine Art Aid Centre“. Was waren und sind Ihre individuellen Aufgaben?

 Es ist immer sehr viel Kommunikation und Koordination nötig zwischen denen, die Hilfe brauchen und helfen möchten. Meist bilingual, da hat sich meine Qualifikation als Dolmetscherin aus dem ersten Studium als nützlich erwiesen. Bedarf muss ermittelt werden, wenn es um Hilfsgüter geht, muss der Ankauf mit der Logistik abgestimmt werden, Transporte müssen organisiert und über die Grenze gebracht werden, wenn es um größere Projekte mit Geldtransfer geht (zum Beispiel Ertüchtigung der Museumsräumlichkeiten, Digitalisierungsprojekte), müssen Formalitäten beidseitig vertraglich geregelt werden. Das erfordert viele E-Mails und Telefonkommunikation. Da unser Netzwerk über ganz Deutschland verteilt ist, aber auch darüber hinaus (wir arbeiten eng mit Kollegen aus der Schweiz und Österreich), wird die Arbeit in wöchentlichen Zoom-Meetings abgestimmt. Alle zwei Wochen gibt es Zoom-Treffen mit ukrainischen Kollegen, die über die aktuelle Lage berichten.

Wo liegen die größten organisatorischen Herausforderungen bei dieser Arbeit? Gibt es hierfür viel Unterstützung aus Deutschland?

Man ist ständig im Reaktionsmodus und kann nicht alles voraussehen oder planen, man arbeitet viel mit Ausnahme- und Notsituationen.

Ja, Deutschland hat tatsächlich viel Unterstützung für Kulturgutrettung geleistet. Hilfe kam von Anfang an von Museen, Stiftungen, Unternehmen, Forschungsinstitutionen, Logistikfirmen und Kunsthändlern in Form von Sach- und Geldspenden. Von Juli bis Dezember 2022 wurde unsere Arbeit von der Bundesregierung für Kultur und Medien (Claudia Roth) finanziert. Für dieses Jahr wurde das Hilfsbudget von der staatlichen Seite noch nicht bekannt gegeben, seit Jahresbeginn 2023 arbeiten wir wieder auf Spendenbasis – darum sind solche Spendenaktionen wie oben erwähnt wirklich eine große und wirksame Hilfe – und wir hoffen weiterhin auf die staatliche Unterstützung zumindest für die zweite Jahreshälfte.

Als Ukrainerin sind Sie in Ihrer Brückenfunktion gut vernetzt mit den Menschen vor Ort – wie ist die emotionale Situation für Sie ?

Und so sehr man sich freut, Hilfe leisten zu können, hat man regelmäßig mit Verlusten zu tun, Museen in besetzten Gebieten werden geplündert, Baudenkmäler massiv beschädigt und auch einige Kollegen wurden getötet – das ist schwer zu verkraften.

Was planen Sie und das UAAC in der nächsten Zeit ?

Nicht aufzugeben 🙂

Interview: Andreas Friedrich

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