Rosenheim – So viel kennerisches Publikum hatte das Gesangsensemble „Singer Pur“ wohl selten, wie bei seinem Konzert in der Christkönigkirche: Es war der krönende Abschluss des Chorfestivals „Rosenheim singt“, und deswegen saßen in der Kirche sehr viele Chorsänger und kundige Zuhörer. Doch die fünf Männer und eine Frau eroberten dieses Publikum im Sturm: mit ausgefeilter Ausgewogenheit der Stimmen, die alle ein sehr sympathisches Timbre haben, vor allem auch die relativ neue Sängerin Claire Elizabeth Craig, die mit ihrem klaren, vibratofreien und sehr weit tragenden Sopran das Klangspektrum der Männerstimmen begleitete und oft anführte; mit der Kunst, Solisten sowohl solistisch singen zu lassen als auch sie in den Ensembleklang einzubetten; mit geradezu kristallin-reinen Akkorden und einem zartsamtenen Piano – fast nie kommt es zu Fortissimo-Ausbrüchen. Die Sänger begleiteten viele Songs leicht rhythmisch mit Holzstäben, Rasseln oder Fingerschnippen, imitierten Blasinstrumente und wechselten immer wieder Positionen.
„Mit Sting quer durch die Vokalmusik“ hieß das Motto des Konzertes. Sieben Songs von Sting aus seinem Album „Fields of Gold“ stellten die Sänger jeweils ein anderes Lied gegenüber, das thematisch ähnlich oder gegensätzlich dazu war. Das ergab äußerst reizvolle Paarungen. So folgte auf das ausgelassene wohlbekannte „Tanzen und Springen“ des Renaissance-Komponisten Hans Leo Hassler „They dance alone“ von Sting: ein politischer Song, der das Tanzen der südamerikanischen Frauen thematisiert, deren Männer gefangen, gefoltert oder gar getötet wurden. „Singer Pur“ gestaltete diesen aufrüttelnden Song dann auch wie einen Aufschrei. Dankenswerterweise erklärten die Sänger auch die jeweiligen thematischen Paarungen.
Auf „When we dance“ folgte das Volkslied „Rosenstock, Holderblüh“ – beides sind erotisch gefärbte Tanzlieder. Bei Sting heißt es: „Wenn wir tanzen würden, würden die Engel rennen und ihre Flügel verstecken“, im Volkslied heißt es: „Wenn i ins dunkelblau, funkelhells Äugerl schau, mein i, i seh‘ in mei Himmelreich nei.“ Bei Sting legten die Sänger dynamisch richtig los, im Volkslied überraschten sie mit Harmoniewechseln.
Feine Klanggespinste mit sanfter Jazz- oder auch leidenschaftlich-eruptiver Harmonie legte das Ensemble über die Sehnsuchtslieder: das titelgebende „Fields of Gold“, das die Gerstenfelder besingt, und dann das englische Volkslied „The Oak and the Ash“, in dem ein nordenglisches Mädchen, das der Liebe wegen nach London zieht, sich nach den Eichen und Eschen der nordenglischen Heimat sehnt. Da wallten die Stimmen der Sänger emphatisch auf.
Die „Loreley“ zeigt, wie eine Frau einen Mann um den Finger wickelt: Dieses Lied von Friedrich Silcher sangen die Sechs rührend einfach und schlicht-schön. Dagegen stand der Sting-Song „Wrapped around your finger“, in dem der Sänger beschreibt, wie er das passive Um-den- Finger-gewickelt-Werden in ein aktives wendet: Romantische Sentimentalität gegen witzige Erotik.
Waren die Sänger schon immer leicht in Bewegung, mündete diese Bewegung ins leidenschaftlich bewegte Tanzen mit Händeklatschen, in das die Zuhörer sofort begeistert einstimmten. Und bereitwillig ließen diese sich in der Zugabe zum Mitsingen eines afrikanischen Volksliedes animieren, bis das Volkslied „Erlaube mir, feins Mädchen“ dieses exquisite Konzert beendete. RAINER W. JANKA