Das Prekariat probt den Aufstand

von Redaktion

Wasserburger Theatertage Theater für die Jugend Burghausen zeigt hinreißende Komödie von Dario Fo

Wasserburg – Mit dem Gastspiel des Theaters für die Jugend Burghausen stand eine erstklassige Komödie auf dem Programm der Theatertage. Die zeitgemäße Fassung von Dario Fos Meisterwerk „Bezahlt wird nicht“ bot 90 Minuten Unterhaltung auf hohem Niveau: spritzig, unglaublich lustig, aber auch nachdenklich und ernst.

Antonia ist gerade dabei, Unmengen unbezahlter Lebensmittel aus dem nahen Supermarkt in das mit Mann Hans, Tochter Rita und Schwiegersohn Ludwig gemeinsam bewohnte Reihenhaus zu bringen. Aus Angst vor ihrem obrigkeitshörigen Mann, der die personifizierte Korrektheit ist, versteckt sie mit Hilfe ihrer Tochter das Diebesgut. Im Gespräch der beiden Frauen stellt sich raus, dass es im nahen Supermarkt zu einem Aufruhr wegen der hohen Preise gekommen ist. „Eine Gurke für 2,95 Euro“, und das sei nur die Spitze des Eisbergs der Inflation. Also wurde der Filialleiter geknebelt und der Laden von den Kunden ausgeraubt. Die Staatsmacht ist den Plünderern auf den Fersen.

Was als Einzelaktion begann, entwickelt sich zu einem Flächenbrand. Bezahlt wird nicht, weder für Gas und Strom noch für Lebensmittel und Hypotheken. Stattdessen werden jetzt sogar illegale Fleischtransporte gekapert und die allgemeine Stimmung droht in Richtung Aufruhr und Revolution zu kippen. Staatsmacht und Polizei schreiten deshalb mit aller Härte ein.

Mario Eick, Autor und Theatergründer, inszenierte das mitreißende Spektakel. Der Regisseur revitalisierte die an die Commedia dell‘ arte angelehnte Farce des italienischen Literaturnobelpreisträgers Dario Fo. Sanft entstaubt und mit einem zeitgemäßen Gegenwartsanstrich versehen bot sich im trotz Wochenanfang vollen Theater ein Schauspiel der Extraklasse. Eick selbst übernahm die Rollen der Staatsmacht und ihrer Vertreter, vom Alkohol umnebelten Streifendienstler bis hin zum Bundeskriminaler mit Stasiallüren, dargestellt mit schier unerschöpflichem Unterhaltungspotenzial.

Der Obrigkeit gegenüber stand die durch die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze in den Bankrott getriebene Familie. Susan Hecker spielte die plündernde Antonia. Ihr Ziel war es, den Fall ihrer Lieben in das soziale Abseits und damit ins Prekariat aufzuhalten, was allerdings gründlich misslang. Selbst beim Einsacken blieb ihr der Erfolg versagt. Im Eifer des Gefechts landeten statt Spaghetti Bolognese Katzenfutter, Vogelhirse und Karnickelköpfe in ihren Taschen. Umso erfolgreicher dafür ging Susan Hecker in ihrer Rolle auf: Situationskomik auf allerhöchstem Niveau.

Anna März als Tochter Rita, Bálint Walter als Schwiegersohn Ludwig und Werner Schwarz als nur der vordergründig linientreue Gatte Hans komplettierten die in Not geratene, räuberische Familie. Was zunächst unspektakulär klingt, entwickelte sich dann in der Dramaturgie zu einem Unterhaltungsfeuerwerk. Die intelligente Handlung und ihre fünf Darsteller versprühten so viel Charme und Witz, wie es nur den wirklich guten Komödien vorbehalten ist.

Allerdings sollte dabei trotz aller Unterhaltung nicht vergessen werden, dass Dario Fos Komödie ein durchaus sehr ernster Hintergrund zugrunde lag. Wo die ärmere Bevölkerung durch Massenarbeitslosigkeit und Gentrifizierung verelendet, liegen Anarchie und Chaos in nicht allzu weiter Ferne.

Wolfgang Janeczka

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