Schalen und Holzfiguren erzählen Geschichten vom Leben

von Redaktion

Bilder von Heidi Muggli und Skulpturen von Regina Marmaglio noch bis 2. Juli in der Galerie Markt Neubeuern zu sehen

Neubeuern – Sie stehen auf an der Wand befestigten Sockeln, sodass ihnen der Betrachter auf Augenhöhe begegnen kann: hölzerne, 24 Zentimeter hohe menschliche Gestalten – meistens männlich. Die Bildhauerin Regina Marmaglio hat sie mit dem Eisen aus Lindenholz gearbeitet. Die Spuren des Schnitzmessers sind auf der Oberfläche zu sehen, bilden ein zusätzliches Gestaltungselement.

Obwohl oder gerade weil die Figuren sich nur geringfügig voneinander unterscheiden, ist die Neugier auf die kleinen Verschiedenartigkeiten geweckt. Hat einer eine größere Nase, so fällt beim anderen der kleinere Mund auf. Die Haltung des Kopfes ist immer geradeaus, aber tatsächlich hat auch einer den Kopf leicht zur Seite gedreht. Der Blick der kleinen Skulpturen geht durch den Betrachter hindurch in die Ferne, nachdenklich, verträumt, nicht deutbar. Gekleidet sind sie zweckmäßig, Hose, feste braune Schuhe und Ringelpullover. In immer neuen Varianten laufen ungerade Linien über die Pullover, meistens bleistiftdünn, in seltenen Fällen etwas breiter. Es sieht aus, als drücke ihre Bekleidung – im Gegensatz zu den emotionslosen Gesichtern – ihre Lebenseinstellung aus.

Handelt es sich um einen vorsichtigen Versuch, Frohsinn zu vermitteln? Aber die Füße sind schwer, denn die Künstlerin hat ihre Figuren aus einem Holzblock herausgearbeitet, sodass die Schuhe untrennbar mit dem Block verbunden sind. Beweglichkeit ist den kleinen Menschen also verwehrt.

In der sechsteiligen Arbeit „getroffen“, stehen drei männliche und drei weibliche Figuren nebeneinander, alle in eine Richtung blickend. Die Titel sind kurz und prägnant, auch überraschend und geben der Szenerie Leben. Sie bestehen nur aus einem Wort, einem Verb, immer im Partizip: „erhalten“, „erschöpft“, „angezogen“. Es ist ein farbiges Panoptikum des Lebens, das die Bildhauerin hier zeigt.

Auf den ersten Blick sind die Bilder von Heidi Muggli feine Kompositionen in Öl auf Leinwand oder mit Polychromstiften auf Papier. Ihr bewusst eng gefasster Themenkreis besteht seit vielen Jahren aus Gefäßen oder Früchten – in immer neuen Varianten. Schon als Kind hat sie es geliebt, diese Haferl, Krüge und Schalen hin und her zu schieben, bis ihr das Arrangement gefiel. Auch heute noch inszeniert sie eine Aufstellung, um im Anschluss ein Bild daraus entstehen zu lassen. Denn die Welt ist eine Bühne, auf der jeder eine Rolle zugewiesen bekommt. So erzählen Heidi Mugglis Bilder in Malerei und Zeichnung zahlreiche Geschichten. Wer genau hinschaut, vermag Zuneigung und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erkennen, aber auch Stolz und Hochmut.

In einem zarten Ölbild schwingt sich ein dunkles Gefäß im Hintergrund zum „Hüter“ über die kleineren weißen auf, die dicht zusammengedrängt vorne stehen. Eine winzige Scherbe, beinahe versteckt, legt Zeugnis über vorangegangene Turbulenzen ab. Streng und hoch oder klein, aber präsent stehen die Gefäße und erzählen vom sozialen Gefüge. Und dann die Früchte: sorgsam Stück für Stück mit großer Perfektion in Öl auf Leinwand gemalt, in Reihen geordnet, keine der anderen gleich. Vier Mangos liegen auf sonnenhellem Grund, prall und saftig sehen sie aus. Aber ihre Haut ist beileibe nicht fleckenlos, kleine Druckstellen sind mit fotografischer Genauigkeit darauf gemalt. „Golden Girls“ nennt die Malerin diese Anordnung, eine Anspielung auf eine lange zurückliegende Fernsehsendung mit vier alten, äußerst lebenstüchtigen Damen.

„Hearst das ned wia die Zeit vageht“, so ist das Bild von zwei übereinanderschwebenden dunkelblauen Schalen genannt. Man glaubt, die Töne des bekannten Liedes zu vernehmen, so intensiv ist der Eindruck, dass diese Schalen Klänge zu verbreiten imstande sind. Beim „Kleinen Raumschiff“ verwendet die Malerin zusammen mit der Ölfarbe Sand und schafft somit – anders als bei den anderen Arbeiten – eine raue Oberfläche. Im Weltraum wird die Atmosphäre doch eine andere sein? Weitere Titel wie „Pflaumenparade“ oder „Gedanken zur Gerechtigkeit“ regen an, ohne die Konzentration auf die Bilder zu schmälern. Im Gegenteil, sie erhöhen den Genuss.

Zu sehen bis 2. Juli in der Galerie Markt Neubeuern, freitags von 18 bis 20 Uhr, samstags von 14 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 19 Uhr.Ute Bößwetter

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