Rosenheim – Seltsame und skurrile Gebilde sind es, sie verführen zum Assoziieren, regen die Fantasie an – die Objekte aus Stoff oder Kunstwerke mit textilem Hintergrund, die gerade in der Städtischen Galerie in Rosenheim zu sehen sind. Bewusst also Haptisches als Kontrast zur zunehmend digitalen Welt, dargeboten in überraschenden Erscheinungsformen.
Der große, lichte erste Raum der Galerie präsentiert schon eine gewisse Bandbreite der vertretenen Künstlerinnen und Künstler. Dominant und verspielt zugleich wirkt der Hochsitz „Imitation of life“ des aus Rosenheim stammenden Duos Stephanie Müller und Klaus Dietl. Klangstäbe, eine Äolsharfe und Textilobjekte ergänzen die vertikale Struktur um spielerische Elemente. Die Fotografie „Aufgetaucht“ im Großformat 150 mal 220 Zentimeter präsentiert als spirituell wirkendes Motiv eine Frau im Wasser, eingehüllt in Organza-Stoff, quasi zwei Kunstwerke in einem. Dieselbe Künstlerin, nämlich Sheila Furlan, gestaltete den nächsten Raum komplett nahezu weiß, mit filigranen Stickereien und fünf hängenden, sehr feinen Strickleitern („von oben sieht man die Dinge anders“). Ein knalliger Gegeneffekt trifft die Gäste der Ausstellung in Raum 3: „Kernzone Rot – Urfeld“ nennt Toni Wirthmüller seine komplett in Rottönen gehaltene textile Wand mit Hinterlassenschaften – sind hier Menschen auf der Flucht, ist das ein Schlachtfeld? „Kein Schonwaschgang“ steht in der Pressemappe, einige Werke setzen sich mit Gesellschaft und Umwelt auseinander. Andere hingegen setzen auf filigrane Optik und ästhetische Wirkung im Raum, wie ein rätselhaftes Flugobjekt in Raum 4 oder eine Videoinstallation in Raum 5.
Dieses Video-Triptychon von Patricia Lincke („Ahnung“) kann fesseln, kaleidoskopähnlich öffnen sich florale Strukturen, Hände sind zu sehen. Etwas konventioneller, aber sehr kunstvoll wirken gestickte Bilder von Katharina Wilke, „Deine Tanzkarte ist schon voll“ erinnert an die Wirtschaftswunderzeit, mit VW Käfer und „Ernte 23“-Werbeplakat, schön nostalgisch. Ein besonders verblüffendes und auch raumgreifendes Werk ist Monika Supé gelungen: „365“ ist ein ewig langer Papierausdruck, Motiv eine Art Endlos-Häkelmuster. Der Stapel Papier am anderen Ende verrät, dass der Ausdruck eigentlich noch viel länger ist, hier war einfach die Galerie zu klein.
Beim Rundgang lohnt es sich auch, genau hinzuschauen, denn es gibt auch versteckte Kleinode zu entdecken oder unscheinbare astral wirkende Textilkörper in schummrigen Ecken. Die Ausstellung, kuratiert von Dr. Cornelia von Detten, zeigt in der Summe eine gewisse Wirkbreite von Textilkunst im Übergangsbereich von anfassbarem Material und künstlerischer Aussage, mal was anderes. Andreas Friedrich