Staudach-Egerndach – Diesmal ist das Atelierfenster in Staudach-Egerndach ausschließlich der Aquarellmalerei gewidmet, die dank ihrer zarten, weniger auffälligen Farbgebung nicht sofort ins Auge sticht, aber die genaue Betrachtung unbedingt lohnt. Der Bildhauer Carsten Lewerentz zeigt in dieser „kleinsten Galerie der Welt“ ab sofort bis Mitte August einen kleinen Ausschnitt der Werke von Maximilian Schmetterer aus Prien, der unter anderem Dozent an der Kunstakademie in Kolbermoor ist. Wie bei ansonsten oft vielen Aquarellen hat der Betrachter es aber hier nicht mit sommerlicher Leichtigkeit, idealisierten Landschafts- oder Blumenbildern zu tun, sondern Schmetterer, Jahrgang 1941, ging von Anfang an andere Wege, denn „schöne Motive langweilen mich“, wie er mal sagte. Oft mit Bleistift und Skizzenbuch unterwegs, sucht er deshalb für seine Bilder keine im Sonnenlicht strahlenden Postkartenmotive. Eher wecken weniger spektakuläre Schauplätze wie Gleisanlagen, verlassene Hafen- oder Industriegelände und einsame Strände mit leeren Strandkörben an Regentagen sein Interesse. Durch die zarte Malerei, die genau beobachteten Bildfindungen können diese Ansichten dennoch sehr lyrisch, poetisch wirken.
Aus der Fülle Hunderter von Skizzen und Aquarellen des Künstlers präsentiert das Atelierfenster zum Beispiel solche vom Chiemsee, Nordsee und unterwegs oder die Bahnhöfe von München und Hamburg. Schmetterers Bilder zeigen fast immer Zeugnisse menschlicher Kultur und Nutzung der Natur, ohne den Menschen selbst ins Bild zu bringen.
Beispiele sind die verlassenen Strandkörbe am idyllischen Nordseestrand, die auf ihre Gäste zu warten scheinen, oder das Geflecht von Gleisen und unentwirrbaren Hochspannungsleitungen vor der Silhouette des abendlichen Münchens mit Frauenkirche und Armeemuseum: Hier sind die vielen Menschen zwar durchaus auch präsent, aber ohne ins Bild gebracht zu werden.
Angesichts von Klimakrise, Naturkatastrophen, Ressourcen- und Energieverschwendung, Übertourismus, Kriegen… bleibt es dem aufmerksamen, einfühlsamen Betrachter selbst überlassen, eine gewisse Melancholie oder vielleicht Bedrohung der von den Menschen so stark genutzten und in Großteilen selbst gestalteten Welt zu empfinden.
Das Atelierfenster in dem ehemaligen Lebensmittelkiosk – sehr passend, denn viele Menschen empfinden Kunst als Lebensmittel – kann fast jederzeit besichtigt werden: Es ist in den Abendstunden bis 22 Uhr beleuchtet. Ein Heft liegt auf, in das die Betrachter der Ausstellung gebeten werden, ihre Eindrücke aufzuschreiben.
Christiane Giesen