Rosenheim – Immer wieder, so oft man den „Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben“ auch geschaut hat, erschauert man, wenn das Totenglöckerl läutet und den
Boandlkramer ankündigt. Und immer wieder erkennt man, wie geschwisterlich Leben und Tod miteinander verbunden sind, wenn das Totenglöckerl grad dann läutet, wenn’s am lustigsten ist, nämlich beim Geburtstagsfest des Brandner Kaspar.
Zum Jubiläum drei
Freiluftaufführungen
Die Volksbühne Rosenheim St. Nikolaus, die vor 50 Jahren gegründet worden ist, hat dieses bayerische Nationalschauspiel oft und an vielen Orten gespielt, auf der Landesgartenschau und auf der Doaglalm, unter dem Turm von St. Nikolaus und auch in Südtirol. Es gehört gleichsam zur DNA der „Nikoläuser“ und ist da in den besten Händen. Jetzt gab es – zum Gründungsjubiläum – als Freilichttheater drei ausverkaufte Aufführungen am Innspitz.
Zwei Bühnen waren aufgebaut, die kleinere für das Häusl des Brandner, die größere für den Himmel. Die Volksszenen spielten sich am Boden davor ab – nicht für alle Zuschauer gleich gut einsehbar. Dafür war über die Mikrofone alles gut hörbar. Die animierende Musi kam von den Söchtenauer Buam. Richard Martl hat das Stück bearbeitet, gekürzt und manches deswegen geändert. So stirbt das Marei nicht am Berg, sondern durch einen Schuss aus Simmerls Gewehr – der ebenso wie Mareis Geliebter Flori nicht mehr vorkommt. Das Geschehen ist um Rosenheim herum verankert, sodass, wie Johannes Nepomuk (der als Heiliger neu dazugekommen ist) verkündet, der Weg ins Paradies direkt über Birkenstein führt. Ausführlich wird im Himmel der Husarengeneral von Zieten vorgeführt, den Richard Martl mit großem Vergnügen und gutem preußischen Zungenschlag spielt: Preißn derblecken geht immer.
Natürlich konzentriert sich alles auf das Rededuell zwischen dem Brandner Kaspar und dem Boandlkramer. Hannes Ginthör spielt den Brandner grandios aus, von der übertriebenen Lustigkeit über die betrügerische Listigkeit bis hin zum philosophischen Lebensüberdruss und zur überzeugenden Bußfertigkeit im Himmel. Für Peter Kirmair ist der Boandlkramer die lebenslange Paraderolle: vorschriftsmäßig „hohlaugert und bloach“, schleimig-listig mit drohender Fistelstimme, die nach viel „Kerschgeist“ ins bsoffene Lallen umschlägt, und seine langen Gliedmaßen schlackernd, weil’s ihn vor Kälte dauernd schlottert. Wenn die beiden zusammen schnapseln und karteln und dischkuriern, stimmt alles: die Mimik, die Gestik, das Timing, die Diktion und die Sprachmelodik.
Streng-scharf und autoritär und dauerzornig ist der ruacherte und gleichzeitig dem Jagdherrn gegenüber devote Bürgermeister Senftl (Bernd Metzger), lieblich blond und herzig ist das Marei (Evi Mayr), herzhaft männlich Jonas Grießl als Flori und bedauernswert zurückgesetzt und doch sympathisch Thomas Wratzlawek als Simmerl, tantenscharf Angelika Heigermoser als Tante Theres und liebenswert hübsch Kathi Wiedemann als ihre Tochter Burgi.
Heiter geht‘s zu im
bayerischen Himmel
Heiter geht’s im bayerischen Himmel zu: Nantwein (Florian Schrei) parliert perfekt lateinisch, Afra (Doris Reuter) beherrscht das Kartenspiel, der Turmair (Andi Brandmeier) ist dauergscheit und Nepomuk (Helmut Dengl) bekennt, einst so schlank wie der Nepomuk am Max-Josefs-Platz gewesen zu sein. Robert Mayr führt als imposanter, aber spaßloser Erzengel Michael ein weiß-rot glühendes Flammenschwert, und als Portner mit weißwallendem Haupthaar und prächtigem Bart verströmt Herbert Gruber himmlische Autorität.
Rührend ist’s, wenn das Marei – wenn auch zu früh – in den Himmel kommt und wenn der Brandner das Fegefeuer reuig auf sich nehmen will, doch heiter endet’s, wenn die „Heilige Trinität“ über die Streiche des Brandner Kaspar lacht und Maria nicht mehr aufhören kann zu lachen: „D’Chefin lacht no!“
Weil die Kartennachfrage so überwältigend war, gibt’s im Herbst eine Neuauflage im Theatersaal im Künstlerhof, der „Heimat“ der Volksbühne St. Nikolaus.