Wenn Violetta die Violetta singt

von Redaktion

Italienische Operngala eröffnet die Opernfestspiele auf Schloss Amerang

Amerang – Wer seine Tochter Violetta tauft, löst unweigerlich musikalische Assoziationen aus. Wenn diese Violetta später Sängerin wird, schafft dies unweigerlich eine Erwartungshaltung – und unweigerlich erst, wenn sie auch noch die große Arie der Violetta aus Verdis „La Traviata“ singt: „E strano“. Die russische Sopranistin Violetta Vasilieva erfüllt alle vornamenbedingten Erwartungen und Hoffnungen.

Piano-Delikatesse und Koloraturen-Kunst

Mit einem silbrig strahlenden und leidenschaftlich aufblühenden Sopran, mit einem dramatisch sich dehnenden Legato, mit Piano-Delikatesse und Koloraturen-Kunst durchlebt sie diese große Liebes-Arie voller wechselnder Seelenzustände – und das Publikum im Innenhof des Schlosses von Amerang rast: Die Opernfestspiele auf Schloss Amerang, kundig betreut von Ingo Kolonerics, haben glanzvoll begonnen. Der zweite Applaussturm gilt einem Tenor, Joan Laínez aus Spanien.

Er singt zwei der berühmtesten Tenor-Arien, „Vesti la giubba“ aus dem „Bajazzo“ von Leoncavallo und „Nessun dorma“ aus „Turandot“ von Puccini. Leicht springt seine Stimme an und mühelos attackiert er die Spitzentöne, natürlich ist sein Timbre und schier unendlich scheint seine Stimmkraft und Stimmfülle, die er verschwenderisch verteilt, sieghaft metallisch tönt sein „Vincero!“ – und das Publikum rast.

Insgesamt fünf Sänger und drei Sängerinnen boten eine Revue der schönsten Opern-Arien, leider mit nur ganz wenigen Liebes-Duetten. Der tiefdunkle Bass von Vedat Dalgiran tönte tief unten besser als in den Höhen bei seiner „La-Calumnia“-Arie aus Rossinis „Barbier“, passender war sein Bass für den Meuchelmörder Sparafucile aus Verdis „Rigoletto“. Fernando Araujo und Nejat Isik Belen sind schon alte Amerang-Kämpen, die auch gut mit dem Publikum spielen können. Araujo im Barbier-Kostüm vollstimmig und wortakrobatisch, Belen mit raumfüllendem Bass als Torero in „Carmen“. Auch der Tenor Waku Nakazawa ist den Amerang-Zuschauern lange bekannt, er verströmte sich schrankenlos in „Una furtiva lagrima“ aus Donizettis „Liebestrank“.

Ebenfalls aus Russland kommt die Altistin Sofiya Almazova. Sie musste auf den Beginn ihrer „Habanera“ aus „Carmen“ warten, bis die Schlossglocke acht Uhr geschlagen hatte – lustigerweise passend zur Tonart, zu d-Moll. Mit ihrem vollfraulichen und verführerischen Mezzosopran, mit ihrer schauspielerischen Potenz und selbstbewussten Haltung würde sie in jedes gute Opernhaus passen. Die „Seguidilla“ aus „Carmen“ sang Mariana Pedrozo aus Argentinien mit natürlich fließender und lockender Stimme, die jeden José trunken vor Leidenschaft machen würde. Ganz mädchenhaft dann wurde ihre Stimme als Zerlina aus Mozarts „Don Giovanni“ im Duett mit Nejat Isik Belen.

Man wundert sich, dass ein 15-köpfiges Orchester samt zwei Pauken auf der kleinen Bühne Platz findet – aber es klappt.

Mit Verve
und Finesse

So gut, dass dieses Mini-Opern-Orchester unter der erfahrenen Leitung von Patrick David Murray nicht nur alle Arien hilfreich begleitet, sondern auch noch selber auftrumpft: Mit Verve und Finesse spielt es die „Sinfonia“ aus Bellinis „Norma“, ganz fein und zart-intensiv die Ouvertüre zu „La Traviata“ und geradezu schwelgerisch das „Intermezzo“ aus „Cavalleria rusticana“.

Am Ende wurde es heiter mit italienischen Canzone und ausgelassen mit „O sole mio“ und dem Trinklied aus „La Traviata“, alles von allen gesungen.

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