Das Publikum eineinhalb Stunden lang elektrisiert

von Redaktion

Regensburger Domspatzen bringen in der Basilika Tuntenhausen Musik aus fünf Jahrhunderten zu Gehör

Tuntenhausen – „Lux et vita“ versprach das Programm der geistlichen Chormusik in der päpstlichen Basilika von Tuntenhausen, also „Licht und Leben“. Domkapellmeister Christian Heiß bescherte mit seinen Sängern dem Publikum („die Kirch‘ war voll wie sonst nie…“) nicht nur strahlend helle und reine Klänge, sondern vermittelte auch eine lichtvoll spirituelle Dimension, die selbst für fröhliche Weltkinder nicht zu anstrengend wurde.

Freilich, die dargebotene Musik aus fünf Jahrhunderten war anspruchsvoll, konnte aber unmittelbar emotional nachvollzogen werden. So verzichtete Chorleiter Heiß auf allzu Populäres; dennoch erntete er am Schluss enthusiastischen Beifall. Die ältesten Komponisten wie Thomas Tallis, Palestrina oder der unvergleichliche Tomás Luis de Victoria sind alles andere als verehrungswürdige Museumsstücke. Fließen bei Tallis oder Palestrina die Stimmen in edlem Gleichmaß dahin, ist bei Victoria schon ein drängender individueller Ausdruckswille erkennbar. Gar bei den im 17. Jahrhundert geborenen Meistern wie Alessandro Scarlatti oder Johann Pachelbel hüpft quasi der Rhythmus und gar die deutschen Worte werden mit Nachdruck ausgedeutet, ja lustvoll ausgemalt.

Christian Heiß steuerte einen Psalm (104) aus eigener Feder bei: „Ich will dir singen“. Da setzte der Komponist alle Register ein, um die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme auszureizen. Die Domspatzen folgten seinem sensiblen Dirigat mit Feuer und Flamme! Zwei weitere Zeitgenossen seien herausgegriffen: Des jungen Slowenen Andrej Makor „O lux beata trinitas“ überzeugte durch eine intensive Innigkeit, welche uns die „Dreieinigkeit“ musikalisch plausibel machte. Ebenso erfreute das „Ave maris stella“ von Philip Stopford durch eine liebliche, jedoch keineswegs süßliche Tonsprache.

Die Buben und jungen Männer der Regensburger Domspatzen hatten also allerhand zu tun, um das Publikum eineinhalb Stunden lang zu elektrisieren. Disziplin und präzise Probenarbeit waren hörbar vorausgegangen. Trotzdem, von Dressur kann keine Rede sein, denn die Sänger wussten die Noten kreativ in lebendige, schwingende Töne zu verwandeln. Unglaublich, wie synchron den Tenören und Bässen die Unisono-Passagen bei Mendelssohn Bartholdy gelangen: Artikulation und Tonfärbung einheitlich aus einem Guss!

Ein reiner Knabenchor ist ein eigen Ding: Wie wenn die „Vox humana“ einer Orgel uns stürmisch die geballten Klang-Garben entgegen blies, so war der Hörer mitunter von einer obertonreichen, dichten und farbigen Sturzflut umspült. Dass die Buben, wenn es gefordert wird, auch zu differenziertesten dynamischen Abstufungen fähig sind, zeigten sie bei dem herb-schönen „Morgengesang“ von Max Reger.

Mendelssohn Bartholdy stand in der Mitte des Konzerts und am Schluss. Dieser einst von brauner Ideologie geschmähte Komponist ist aus Programmen mit geistlicher Chormusik nicht mehr wegzudenken. Machtvoll schloss den musikalischen Reigen sein achtstimmiger Psalm 43. Zwei Zugaben waren unumgänglich. Danach erst verließ ein glückliches Publikum die Basilika.

Walther Prokop

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