Immling/Halfing – Während das Weltgeschehen krisengerüttelt wackelt und wankt, führt das Immling Festival ein Stück musikalische Musikgeschichte auf, das auf seine Weise Stellung zu nehmen scheint: Gustav Mahlers „Auferstehungssymphonie“ eint große Themen und bringt sie in der Sprache der Musik unmissverständlich zum Klingen. Seine Symphonie Nr. 2 ist nach dem Motto „Per aspera ad astra“ konzipiert – in deutscher Übersetzung „Über raue Pfade gelangt man zu den Sternen“.
Für eine fulminante Aufführung unter der Leitung von Cornelia von Kerssenbrock bedankte sich ein überwältigtes Auditorium bei den Orchestermusikerinnen und -musikern, dem Chor und den beiden Solistinnen Yana Kleyn und Irina Maltseva mit stehenden Ovationen. Schon zur Zeit der Uraufführung (1895) sprengte das Werk alle Grenzen. Orchestergröße, fünf Sätze statt der klassischen vier und mit 80 Minuten ist es eine der längsten Symphonien, die es gibt. Sie entstand innerhalb von sechs Jahren und kassierte zunächst einen Verriss: Als „Lärm“ und „Unfug“ beschrieb sie Erich Reinhardt, der Kritiker der Uraufführung (von Richard Strauss geleitet).
Zum ersten Satz, eine „Totenfeier“ in ernster Tonart und mit feierlichem Ausdruck, kontrastiert der Finalsatz, in dem Mahler seine Vorstellung der Auferstehung vertont. Die Zuhörer glitten, ob der intensiven Interpretationsgabe der Musiker, vom ersten Moment an tief in die Mahler‘sche Gefühlswelt hinein, die Kerssenbrock offenbar voll und ganz verinnerlicht hatte. Ein scharfer Akzent, dann ein Abschwellen, dem ein unruhiges Thema in den tiefen Streichern folgt, führt ins Thema.
Das Stimmungshoch des zweiten Satzes löst die Düsterheit im Ländler-Takt mit heiteren und von den Streichern teils gezupften Staccato-Passagen und endet in einem friedlichen Menuett. In den Sätzen drei bis fünf arbeitete Mahler Liedtexte ein – zunächst nur instrumental, die „Fischpredigt“ des heiligen Antonius, voller Ironie im musikalischen Ausdruck. Im vierten Satz setzt ein Vokalsolo der Mezzosopranistin Irina Maltseva ein: „O Röschen rot“, nach einem Text aus „Des Knaben Wunderhorn“, das die Sehnsucht nach dem ewigen Leben formuliert, die wiederum im Finalsatz in dramatischer Wucht von Orchester, Chor und der zweiten Solistin Yana Kleyn auf den Gipfel getrieben wird: Apokalyptische Visionen und der Ausblick auf Erlösung – hier liegt ein Gedicht von Friedrich Gottlieb Klopstock zugrunde: „Auferstehn, ja auferstehn wirst du. Sterben werd‘ ich, um zu leben!“.
Das lichte und aufwärtsstrebende Auferstehungsthema, zu dem Kerssenbrock ihre Musikerinnen und Musiker zielstrebig und mit Verve hinführte, erzeugte wahre Euphorie im Festspielhaus und riss ein sichtlich überwältigtes Publikum von den Sitzen. Bravo! Kirsten Benekam