Die Taube girrt und die Nachtigall flötet

von Redaktion

Das Kammerorchester Basel unter Leitung von Giovanni Antonini glänzt mit Haydns „Schöpfung“ bei den Herrenchiemsee Festspielen

Herrenchiemsee – Die Pauke wummst donnernd, das Orchester reißt die Töne hart an und hat keine Angst vor harschen Klängen, die chaotisch-dissonanten Töne drängen sich laut vor, während die Holzbläser fast starr vor Angst sind: Das Chaos vor der Schöpfung durch Gott hat Haydn effektvoll komponiert, und Giovanni Antonini treibt die Effekte mit dem Kammerorchester Basel auf die Spitze, indem er kräftige Orchesterfarben malt, es wirklich blitzen und donnern lässt und überhaupt den knackigen und bisweilen knalligen Orchesterklang aufraut, schärft und zuspitzt. Das Kontrafagott mit verschiedenen Schallstücken verfehlt seine Wirkung im tiefen Triller nicht. Die Sonne steigt voller Spannung auf und der Mond schleicht mit den Bässen dunkel herein. Und einfach schön ist’s, wenn Antonini in der Sopran-Arie „Nun beut die Flur“ den 6/8-Takt wie einen Landler behandelt und dazu die Naturhörner tönen. Das Orchester, das auf historischen beziehungsweise historisch nachgebautem Instrumenten spielt, folgt Antonini, aufmerksam bis zum letzten Pult, bedingungslos im vorwärtstreibenden Tempo: Nie breitet sich die behaglich-bräsige Stimmung aus, die so manche Aufführung der „Schöpfung“ kennzeichnet. Selten hört man die Schöpfung sich so spannungsvoll entwickeln wie hier im Spiegelsaal des Schlosses bei den Herrenchiemsee Festspielen.

Genauso hochaufmerksam und perfekt einstudiert singt der Chor des Bayerischen Rundfunks, diktionsgenau mit knallenden und genau abgestimmten Endkonsonanten, energievoll und aber auch transparent in den Chorfugen und dauerjubelpotent in den großen Finalchören.

Ein Großteil der Wirkung dieses Oratoriums liegt an den Solisten. Florian Boesch erzählt rhetorisch wirkungsvoll, welche Tiere Gott schuf, amüsiert dabei mit kleinen Artikulations-Scherzen, wenn er onomatopoetisch die Insekten mit vielen „s“ und das Gewürm mit breiten Vokalen besingt. Kernig-markant klingt sein Bass vor allem in den Tiefen, in den Höhen mogelt er sich mit Kopfstimme oder Anhauchen durch.

Maximilian Schmitt setzt seinen schön klingenden, kraftvoll-hellen und im Kern metallenen Tenor sehr gut ein, artikuliert genau und singt mätzchenlos, aber affektvoll. Seine Arie über die Erschaffung des Menschen, des „Königs der Natur“, singt er so fließend natürlich wie es das reine C-Dur, in dem sie gehalten ist, anzeigt – auch wenn sich die Harmonie bei der Beschreibung des Geistes, „des Schöpfers Hauch und Ebenbild“, überraschend nach As-Dur wendet.

Reine Freude verbreitet Nikola Hillebrand: Silberhell klingt ihr natürlich timbrierter Sopran, so silberhell, dass sogar der Vokal „u“ hell glänzt, zauberhaft sind ihre langgezogenen Legati, leicht wie in den Wolken purzelnde Engelchen sind ihre Koloraturen. Ihre Arien sind das heimliche Zentrum des Oratoriums: Sowohl das im Crescendo anwachsende Staunen als auch das besungene Schöpferlob sind aus ihrer Stimme herauszuhören, in ihrer „Vogel-Arie“ weiten sich ihre Augen, Freude breitet sich auf ihrem Gesicht aus und sie singt so animiert, dass man meint, sie hebe gleich in die Schwerelosigkeit ab: Sie singt das Publikum in Bann. Und dann girrt sie so liebend wie das besungene Taubenpaar, während die Blockflöte als Nachtigall entzückend fein darauf antwortet: Liebevolles Girren und Flöten als paradiesisches Idyll. Nur als Eva im dritten Teil bleibt sie, wenn sie dem Bass als Adam ihre frauliche Demut beteuert („Dein Will‘ ist mir Gesetz“), ganz ironiefrei. Vielleicht lag’s auch daran, dass genau in diesem Duett es draußen gefährlich blitzte und donnerte, als wolle Gott persönlich drohen, ja nichts Falsches zu sagen. So waren Blitz und Donner sowohl in der Musik als auch in Wirklichkeit die Konstanten dieser Aufführung. Donnermäßig war denn auch der Beifall des vollen Saales für eine „Schöpfung“ voller Donner und Blitz, aber auch voller anmutigen Gesangs – genau die Mischung von Erhabenheit und Anmut, die Haydns Oratorium auszeichnet. RAINER W. JANKA

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