Schöpferisches Spiel mit Wirklichkeiten

von Redaktion

Große Kunstausstellung des AK 68 im Wasserburger Rathaus bietet einen Querschnitt durch die Gegenwartskunst

Wasserburg – „Wo hast du denn den pinken Fleck im Gesicht her?“ Die Antwort klingt komisch: „Von denen im pinken Overall vom Ufo.“ Bevor die Pforten des Rathauses öffnen, präsentiert Katrin Meindl, die Erste Vorsitzende des Arbeitskreis 68, dieses Jahr auf dem Marienplatz eine Überraschung: Eine Außenskulptur mit Performance: Das pinke Ufo war am Freitag „gelandet“. Jetzt raucht es unter dem Gefährt.

Dann tupfen die pink Gewandeten mit entrücktem Blick pinke Schminke in die Gesichter des Publikums. Einer der Chiemgauer Künstlergruppe PinkParadise versieht gerade Rathauschef Michael Kölbl mit dem geheimen Zeichen. „Freifahrschein für eine Runde im Ufo?“ PinkParadise legt sich da nicht fest. Sie wollen den Blick auf Kunst lenken. Durch die Bullaugen des Ufos ist eine Kostprobe ihrer Bildhauerarbeiten zu sehen. Die „Artonauten“, wie sie sich nennen, also Rudolf Finisterre, Martl Fritsche, Christian Hess, Peter Pohl, Hannes Stellner und als Gast Regina Marmaglio, bespielen im Ganserhaus einen ganzen Raum.

Kunst als schöpferisches Spiel mit Wirklichkeiten zieht sich durch die gesamte Große Kunstausstellung. Den großen Rathaussaal dominiert eine Plastik – „der gebeutelte Mann“ von Uli Schmid. Ein traurig wirkender, fünf Meter hoher, Sitzriese – geformt aus leeren Staubsaugerbeuteln. Eines von 218 Kunstwerken, die die diesjährige Jury ausgewählt hat, von insgesamt 1000 eingereichten Werken. Die Jury bildeten Rudolf Finisterre, Ursula Maren-Fitz, Katrin Meindl, Andreas Pytlik und Max Windholz. Sie freuten sich über die Werke etablierter Kunstschaffender, wie die der Bildhauerin Ute Lechner.

Glücklich waren sie aber auch, dass dieses Jahr sogar zwölf Bewerbungen für den Preis „Junge Kunst“ in Frage kamen, weil sie von unter 35-Jährigen stammten. Gewonnen hat die 1000 Euro, die die Kreis- und Stadtsparkasse Wasserburg stiftet, die 30-jährige Laura Killer für ihre Videoarbeiten. Aber warum überreichte ihr Katrin Meindl als Geschenk des AK 68 eine Axt? Das hängt mit den vier Stühlen zusammen, die Laura Killer über eine Kleinanzeige geschenkt bekam.

Die Künstlerin hatte sich zunächst mit dem Alltagsobjekt Stuhl in ihrer Malerei beschäftigt, dann selbst einen Stuhl gebaut. Ihre Videos beeindrucken damit, wie sie sich vom „Stuhl“ als Thema mit radikalem Körpereinsatz befreit. Im Wald, im Tunnel, am Wasser und vor einem Zaun zerschlägt sie jeweils einen der geschenkten Stühle mit einer Axt. Beim letzten Video ging ihre Axt kaputt. Also kann sie die neue gut gebrauchen. Dass noch nicht alles perfekt klappt beim Herstellen von ungewöhnlicher Kunst, macht manchmal den Reiz eines Werks aus.

So sind in der Mitte des Rathaussaals Objekte von Mariella Maier zu sehen. Die 34-Jährige experimentiert intensiv mit Brennnesseln. „Daraus wurden schon in Kriegszeiten Uniformen gemacht“, weiß sie, Ihr Plan war, über Eisengestelle Fasern der Brennnessel zu ziehen, um so quasi nachhaltige, leichte Tische zu schaffen. Doch die Brennnesselfasern erwiesen sich als widerborstig und rissen. Das ergab fragile Skulpturen mit dem Titel: „Der Riss ist, wo das Licht eintritt.“ Auch im Ganserhaus gibt es vom Keller bis zum Dachboden ein abwechslungsreiches Angebot verschiedenster Techniken zu bewundern. Gabi Dräger bemalt mit Neonfarben Kuscheltiere. Justina Ampletzer verschmilzt hunderte Hartgummitiere vom Dino bis zum Schwein zu einer Kugel. Wie im Rathaus zieht sich auch im Ganserhaus das Spielerische durch alle Stockwerke.

Weil zeitgleich Weinfest in Wasserburg war, klang der Abend vor dem Ganserhaus mit einem „Aperitif Kreativ“ aus. Petra Jahn

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