Herrenchiemsee – Auf eine barocke Europareise nahm das Münchener Kammerorchester unter Leitung von Enrico Onofri sein Publikum im Spiegelsaal des Schlosses Herrenchiemsee mit.
Onofri, früherer Konzertmeister des Barockensembles „Il Giardino Armonico“ legte sich italienisch-temperamentvoll, aber auch elegant und akzentuiert ins Zeug, um sein Orchester anzutreiben.
Das Münchener Kammerorchester, das seit der Saison 2022/23 mit drei Associated Conductors – Enrico Onofri, Jörg Erdmann und Wiegers – zusammenarbeitet, will, wie es im Programm nachzulesen war, das eigene Profil schärfen und die künstlerische Qualität vertiefen. Mit W.A. Mozart glückte dies grandios:
Sei es mit dem „Galimathias musicum“ in D-Dur KV 32 oder mit der „Posthorn-Serenade“ in D-Dur KV 320 – das war ein Mozart-Erlebnis der Sonderklasse. Matt und brav hingegen wirkte Georg Philipp Telemanns Suite B-Dur, „Les Nations – Völker-Ouvertüre.“
Telemann, der selbst nie die Länder bereiste, die er in seiner Ouvertüre musikalisch vorstellte, verließ sich hier ganz auf zeitgenössische Berichte und auf die eigene Fantasie. Der Ouvertüre im französischen Stil, die Streicher und Cembalo höfisch-elegant darboten, folgen zwei Menuette, ehe die Reise in die Türkei – lebendig, voranschreitend, tänzerisch charmant – weiterging.
Schweizer und Portugiesen, das war ein Kontrast aus Alt gegen Jung, Flott gegen Behäbig, während die Moskauer laut waren, das penetrante Glockengeläut vom Kreml hier imitiert von Cembalo und Kontrabass. Auch mit dem Reisen war es so eine Sache: Erst waren es lahme Pferde (les boiteux), dann flott trabende (les coureurs). Und doch sollte die Postkutsche – trotz des energischen Kutschers Enrico Onofri – erst mit Mozart so richtig in Schwung kommen.
Beim „Galimathias musicum“, ein Quodlibet, das der erst zehnjährige Mozart in Den Haag komponierte, überzeugte das Orchester mit musikalischem Geschwätz (vom französischen galimatias: sinnloses Geschwätz, Unsinn). Die Melodik und das Spiel mit den Stimmen gestaltete das klein besetzte Ensemble transparent, mit einem ausgewogenen Verhältnis von Bläsern und Streichern.
17 kurzweilige Sätze, die von largo über molto adagio mit Gesang („Eitelkeit, ewig’s Verderben, wenn all’s versoffen ist, gibt’s nichts zu erben.“) bis hin zu einem flotten allegro reichten, eine sich wiegende Pastorella, ein wunderbares Cembalo-Solo, drei und vierstimmige Fugen-Sätze und eine Schlussfuge im presto – das war ein musikalischer Spaß, den das Ensemble sichtlich vergnügt zur Schau stellte und der sich aufs Publikum übertrug. Noch erbauender dann die „Posthorn-Serenade:“ Farbig-vital, ausgelassen, und doch mehr als bloße Unterhaltung.
Das war ernsthafte und intensive Auseinandersetzung mit Kammermusik – festlich-elegant, geschmeidig-dynamisch und vielschichtig. 1779 von Mozart in Salzburg für den Abschied der Studenten am sommerlichen Studienjahresende komponiert, wurde die Serenade dank Onofri und dem Münchener Kammerorchester ein großes Feuerwerk mit großen musikalischen Gesten und Aussagen. Los ging es mit einem konventionellen, ausladenden adagio maestoso, dem sich ein allegro con spirito anschloss, wahrlich fulminant befeuert.
Detailreich das andantino, tränenreich mit harschen Akzenten und Chromatik, reizvoll ansprechend dann die Bläser-Konversation im concertante, im rondeau wetteiferten Solo-Flöte und Solo-Oboe und nach dem Aufritt des Posthorns spritzig das finale im presto, bei dem die Celli mit den Bögen die Saiten schlugen.
Das war großes Vergnügen, ein großes Theater mit fröhlichem Abschiedstrara. Sehr inspiriert und inspirierend – dem langen wohlverdienten Schlussapplaus ließ das Orchester noch einen Mozartschen Marsch als Zugabe folgen. Eine wahrlich beschwingte barocke Europareise. Elisabeth Kirchner