Hohenaschau – Zum 30. Geburtstag des Festivo in der Festhalle von Hohenaschau gab es seit Ende Juli drei Konzerte und bis es Ende September mit ebenso viel versprechenden weitergeht, kam eine wunderschöne Neuauflage von Verdis berühmter Oper La Traviata – „im Taschenbuchformat“ zur Aufführung. Das von nah und fern heran strömende Publikum wurde eingangs mit einem Glas Sekt begrüßt und so in die passende festlich fröhliche Stimmung versetzt. Der Leiter und Initiator des Festivo, Johannes Erkes, selbst auf der Bratsche spielend, führte charmant und mit viel Fachwissen in das Operngeschehen der 1853 im La Fenice in Venedig uraufgeführten Oper von Giuseppe Verdi, wo sie wegen ihres „unmoralischen“ Inhalts ausgebuht wurde.
Kammerensemble statt Orchester
Eigentlich aus vier Akten bestehend, dauert das Werk im Original gut drei Stunden. In Aschau, mit nur drei exquisiten Sängern und statt Orchester einem Kammerensemble von fünf grandiosen Musikern, wurden daraus (mit Pause gut zwei Stunden) – und die Essenz aus der beglückenden Opernmusik. Zusammen mit den informativen Worten von Erkes und der Einbeziehung des Publikums von Beginn an – schon bei den Klängen der Ouvertüre durfte/sollte die bekannteste Melodie mitgesungen werden – zog diese Nähe zum Geschehen auf der Bühne und zur Musik das Publikum sogleich in ihren Bann.
Mit Anton Roters, erste Violine, Paula Zoclch, zweite Violine, Johannes Erkes, Viola, Jacob Roters, Violoncello und Alexander Kuralionok, Konzertakkordeon,– verzauberten alle Solisten auf hohem künstlerischen Niveau – von den ersten Klängen an durch ihr sensibel aufeinander abgestimmtes, harmonisches Zusammenspielen von den schmeichelnd zarten Klängen in den Liebesszenen bis zu den harsch dramatischen Tönen der Tragödie am Ende.
Die Festhalle in Hohenaschau weist zudem eine sehr gute Akustik auf. Alle wesentlichen Arien und Szenen wurden von einer Sängerin und zwei Sängern grandios gestaltet:
Die große, sehr variantenreiche Rolle der Violetta sang Alessia Broch, die der Kurtisane, die sich wider Willen in Alfredo verliebt – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit in der „guten“ Gesellschaft Mitte des 19. Jahrhunderts, litt sie doch noch dazu an Tuberkulose. Dennoch erliegt sie dem aus gutem Hause stammenden, leidenschaftlich um sie werbenden Alfredo Germont. Sehr kurzfristig hatte der Tenor Riccardo Marinello wegen Kehlkopfentzündung absagen müssen, aber glücklicherweise sprang der mexikanisch-amerikanische Tenor Galeano Salas für ihn ein, der diese Rolle schon auf mehreren großen Bühnen gesungen hatte.
Sofort begeisterte Salas´ voller, von Kraft strotzender, aber auch von zarten Nuancen reicher, variabler Tenor, der all das Auf und Ab der Emotionen dieser wohl bis heute am häufigsten gespielten Verdi-Oper hervorragend zu vermitteln wusste.
Die unangenehme Rolle von Vater Germont, die des „bösen Schwiegervaters“, der das Paar auseinander zu bringen trachtet, übernahm Giulio Alvise Caselli, ein wunderbar einfühlsamer lyrischer Bariton, dem bei seinen harten Forderungen an die Liebenden selbst das Herz zu bluten schien.
Zu Beginn des dritten Aktes spielte – nach einer Idee von Johannes Erkes – Alexander Kuralionok auf dem Akkordeon allein die hoch dramatische Szene auf dem Maskenball, als Alfredo seiner Geliebten Geld vor die Füße wirft und sie damit öffentlich bloßstellt.
Akkordeon brilliert
in allen Nuancen
Durch das virtuose Spiel von Kuralionok brillierte das Akkordeon in sämtlichen Nuancen und ersetzte so tatsächlich ein ganzes Orchester, einschließlich des Parts der Bläser.
Auch der vierte Akt mit der letzten Begegnung der Liebenden und Violettas Tod gelang uneingeschränkt, so- dass man von einem rauschenden Erfolg dieser „Oper im Taschenbuchformat“ sprechen kann. Minutenlanger Applaus, Trampeln und Jubelrufe.